Verbesserte Auslegung trockenlaufender Kunststoffradialgleitlager durch die Kopplung von Laborversuch und Bauteilsimulation

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Die Auslegung von trockenlaufenden Radialgleitlagern aus Kunststoff kommt bislang für anspruchsvolle Anwendungen nicht ohne kostenintensive Komponentenversuche aus.  Grund dafür sind die derzeit vorliegenden Berechnungsverfahren, die einen stark überschlägigen Charakter aufweisen und sich aufgrund notwendiger Übertragungsfunktionen in Form von Diagrammen nicht uneingeschränkt auf weitere Materialen anwenden lassen. Insbesondere im Hinblick auf die Berücksichtigung der sich in der jeweiligen Einbausituation einstellenden Gleitflächentemperaturen sind nennenswerte Schwächen zu verzeichnen, da sich die natürliche wechselseitige Abhängigkeit des Reibungskoeffizienten, als Funktion der Temperatur, und die Temperatur wiederum als Funktion des Reibungskoeffizienten und der Einbaubedingung nicht ohne Weiteres lösen lässt. 

Zwar existieren unter anderem mit der Finite-Elemente-Modellierung geometrisch individualisierbare Verfahren, jedoch ist hierfür eine große Menge an parametrisch aufgelösten tribologischen Materialdaten (vor allem Gleitreibungskoeffizient und spezifische Verschleißrate) notwendig. Die Tatsache, dass diese für jeden Werkstoff vorab durch Werkstoffuntersuchungen ermittelt werden müssen begrenzt - zusammen mit dem ungünstigen Verhältnis von simulierter Zeit zu Rechenzeit - die praktische Verwendbarkeit dieser Verfahren zur Auslegung von Bauteilen jedoch stark.

Deshalb wird derzeit am Leibniz-Institut für Verbundwerkstoffe ein neuartiges Verfahren zur Auslegung trockenlaufendender Radialgleitlager entwickelt. Durch den Aufbau eines rechnergestützten Berechnungsmodells eines Gleitlagers und dessen Kopplung mit einem Block-auf-Ring-Verschleißprüfstand, entsteht ein Regelkreis („Hardware-in-the-Loop“, siehe Abbildung 1), der das reale Verhalten eines Gleitlagers simuliert. Der dabei verwendete Kunststoffblock entspricht einem Segment eines Gleitlagers an dessen höchstbelasteter Stelle. Durch die kontinuierliche Weitergabe der Prüfstandsmessgrößen Gleitreibungs-koeffizient µ und Blockhöhe hblock während des laufenden Versuchs, berechnet der Computer in-situ den entsprechenden aktuellen Betriebszustand eines virtuellen Gleitlagers. Mittels eines thermischen Berechnungsmodells wird aus dem Gleitreibungskoeffizienten µ und den eingegeben geometrischen und materialspezifischen Randbedingungen die Temperatur der virtuellen Welle berechnet. Anhand der übermittelten verschleißbedingten Änderung der Blockhöhe hblock wird zunächst die verschleißbedingte Geometrieänderung des virtuellen Lagers berechnet, um daraus wiederum die jeweils aktuelle Flächenpressungsverteilung im virtuellen Gleitlager zu berechnen. Diese beiden Berechnungsergebnisse – genauer gesagt: die aus der Flächenpressung resultierende äquivalente Normalkraft und die Gegenkörpertemperatur - werden an den Prüfstand übermittelt und entsprechend eingeregelt. Diese Prozedur wird iterativ und fortlaufend durchgeführt. Somit ergeben sich sowohl die im weiteren Verlauf des aBoR-Versuchs herrschende Flächenpressung als auch die Temperatur des Ringprüfkörpers nicht mehr wie bisher nur aus der Reibleistung des Block-Ring-Prüfkörperpaars und der von der jeweiligen Prüfstandskonstruktion abhängigen Wärmeabfuhr, sondern sie werden entsprechend den Resultaten der versuchsbegleitend laufenden Simulation eines Gleitlagers eingestellt.

Kontakt:

Dipl.-Ing. Marc Fickert
Wissenschaftlicher Mitarbeiter
Kompetenzfeld Tribologie
Leibniz-Institut für Verbundwerkstoffe GmbH
Erwin-Schrödinger-Straße 58
Telefon: +49 631 2017-285
Email: marc.fickert@ivw.uni-kl.de

Hardware-in-the-loop-Verfahren zur Simulation der transienten Temperaturverteilung und des Verschleißfortschritts eines virtuellen Gleitlagers