Prozessoptimierung: Neuartige Kombination aus angepasstem Harzsystem und Wickelprozess

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Die Europäische Union hat den Klimawandel und die Umweltzerstörung als die existenziellen Bedrohungen für Europa und die Welt identifiziert. Aus diesem Grund hat die EU im Dezember 2019 den europäischen „Grünen Deal“ vorgestellt. Hierin soll eine neue Wachstumsstrategie vorgestellt werden, die den Übergang zu einer modernen, ressourceneffizienten und wettbewerbsfähigen Wirtschaft ermöglichen soll. Kernziele des Grünen Deals sind [1]:

  • Keine Freisetzung von Netto-Treibhausgasemissionen bis 2050
  • Abkopplung des Wirtschaftswachstums von der Ressourcennutzung
  • Kein Mensch und keine Region wird im Stich gelassen [1]

Zur Erreichung der anvisierten Treibhausgasziele ist der Wechsel von heutigen Verbrennungsmotoren hin zu fortschrittlichen Antrieben unabdingbar. Schon 2015 belief sich der Anteil des Verkehrssektors auf 30 % des Endenergieverbrauchs und 20 % der Gesamtmenge der Treibhausgasemissionen in Deutschland. Der größte Anteil wird hierbei dem Straßenverkehr zugesprochen. Zusätzlich ist mit einer weiteren Steigerung des Pkw- und insbesondere des Lkw-Verkehrs bis 2030 zu rechnen [2]. Um dennoch im Verkehrssektor die geforderten Einsparziele für Treibhausgasemissionen zu erreichen, ist aktuell vor allem im Bereich der Personenkraftwagen die Steigerung der batterieelektrischen E-Mobilität geplant. Aber auch der Nutzfahrzeugbereich (Lkw und Busse), der Schienenverkehr und die Schifffahrt müssen durch die drohenden Emissionsbeschränkungen auf alternative Antriebe wechseln. Die Batterietechnik bringt durch ihre relativ geringe gravimetrische Energiespeicherdichte und dem daraus folgenden schlechten Gewicht/Reichweiten-Verhältnis einen Nachteil für schwere Nutzfahrzeuge. Aus diesem Grund werden von verschiedenen privatwirtschaftlichen Unternehmen alternative Energiespeicher wie Wasserstoff für den Antrieb von Elektromotoren in mobilen Anwendungen entwickelt (z. B. Nikola One, Wright-bus (UK) Pulsar Hydrogen, Alstrom Coradia iLint, um nur einige zu nennen).

Gasförmiger Wasserstoff als mobiler Energieträger im Individual- oder Güterverkehr konnte bis jetzt, auf Grund seiner vergleichsweise niedrigen volumetrischen Speicherdichte, keine große Marktdurchdringung erreichen. Um ausreichende Mengen Wasserstoff für einen wirtschaftlich sinnvollen Betrieb in mobilen Anwendungen zu speichern, werden nach aktuellem Stand der Technik Speicherdrücke von 700 bar benötigt. Alternativ zur Hochdruckspeicherung kann Wasserstoff auch in flüssiger Form gespeichert werden. Diese Speichermethode führt in der praktischen Anwendung jedoch zu größeren technischen Herausforderungen (Abdampfung von sich erwärmendem Wasserstoff und hohe Kosten für die Vakuumisolierung der Speichersystemkomponenten). Im praktischen Vergleich liefert die Speicherung des Wasserstoffes bei 700 bar aktuell die beste Speicherdichte in Relation zu den Systemkosten [3].

Druckbehälter für flüssige und gasförmige Medien werden anhand ihrer Bauweise in fünf unterschiedliche Typen unterteilt (vgl.: Abbildung 1). Für die Druckspeicherung von Wasserstoff in mobilen Anwendungen werden heutzutage im Allgemeinen Druckbehälter des Typs IV verwendet. Die Behälter dieses Typs bestehen aus einem Kunststoffinnenbehälter (sog. Liner) - zur Gewährleistung hinreichender Gasdichtigkeit - sowie einer Ummantelung aus Fasermaterial zur Herstellung der benötigten Festigkeit des Verbundsystems. Der Vollständigkeit halber soll noch auf die Druckspeicher des Typs V hingewiesen werden, hierbei handelt es sich um Druckbehälter, deren verstärkende Faserkunststoffummantelung zusätzlich die Aufgabe des Liners übernimmt. Da diese Behälter aktuell Stand der Forschung sind, nehmen sie keinen relevanten Anteil an der Behälterproduktion ein und werden hier nur am Rande erwähnt. Typ IV Behälter werden üblicherweise im Nasswickel- oder Towpreg-Wickelverfahren hergestellt. Beim Nasswickeln werden trockene Faserstränge, sogenannte Rovings, durch eine Imprägniervorrichtung geführt und dabei mit Harz getränkt. Die Imprägnierung von Faserrovings erfolgt überwiegend im Walzentränkverfahren, wobei die Fasern über eine oder mehrere in einer Harzwanne laufende, rotierenden Walzen geführt werden und dabei das Harz aufnehmen. Anschließend wird die Faser meist mehrmals über Abstreif- und Umlenkstäbe oder Walzen geführt, um die Penetration des Harzes in die Faserstränge zu verbessern und um überschüssiges Harz abzustreifen. Die Penetration des Harzes in die Faserstränge hängt sowohl von der Rheologie des Harzes, in Abhängigkeit der Temperatur, als auch von der Verweilzeit der Faser auf der Tränkwalze und den Umlenkstäben ab. Der Betrieb bei hohen Wickelgeschwindigkeiten und den damit verbundenen schnell drehenden Walzen führt zu einem unerwünschten Abschleudern des Harzes. Als Folge dieses Abschleuderns kommt es im betreffenden Bereich der Wickelanlage zu erhöhter Verschmutzung und dem entsprechenden Reinigungsaufwand. Die feuchten Rovings führen ebenfalls zu einer Limitierung der Ablagewinkel auf dem Wickelkern: wird versucht, den Roving in zu geringen Radien auf der Oberfläche des Wickelkerns abzulegen, kann es durch die mangelhafte Haftung der Rovings zu einem Verrutschen der Fasern kommen. Das berechnete Wickelmuster wird nicht abgelegt und es kommt im schlechtesten Fall zu einer Absenkung der mechanischen Eigenschaften des Bauteils [4]. Eine weitere Möglichkeit zur Herstellung der Druckbehälter stellt die Nutzung von sogenannten Towpregs dar. Towpregs sind vorimprägnierte Faserstränge. Die Fasern in diesen Strängen sind bereits vollständig imprägniert und perfekt parallel ausgerichtet. Da bei diesem Verfahren der Imprägnierprozess von der eigentlichen Formgebung des Bauteils getrennt ist, können im Wickelprozess deutlich höhere Wickelgeschwindigkeiten und hohe Faservolumengehalte von bis zu 70 %, mit hoher Ablagequalität im Vergleich zum konventionellen Nasswickeln, erreicht werden. Durch die trockene und klebrige Oberfläche der Towpregs ist es möglich, im Vergleich zur Nasswickeltechnik engere Ablageradien zu erreichen. Die Verarbeitung der Towpregs ist jedoch bisher aufgrund der notwendigen Anlagenkonzepte aufwändiger und wegen der hohen Materialkosten der Towpregs deutlich teurer. Daher ist der Einsatz von vorimprägnierten Fasertapes für eine industrielle Massenfertigung von Druckbehältern bislang wirtschaftlich kaum möglich.

Am IVW wurde - in Zusammenarbeit mit der JWS Maschinenfabrik GmbH und dem Lehrstuhl für Polymere Werkstoffe der Universität Bayreuth - im Rahmen des öffentlich geförderten ZIM-Projektes „SpeedPreg“ eine neuartige Kombination aus angepasstem Harzsystem und Wickelprozess entwickelt. Hierbei werden die Vorteile des Nasswickelverfahrens und des Towpregwickelns kombiniert, um mit hohen Geschwindigkeiten bei hoher Qualität Fasern ablegen zu können. Hierfür wurde in einem iterativen Verfahren ein Harzsystem und ein angepasster Wickelprozess entwickelt. Um die höheren Kosten durch getrennte Prozesse zu vermeiden, wurde als Basis der Entwicklung der konventionelle Nasswickelprozess gewählt. Die Fasern werden hier mit Hilfe einer klassischen Walzenimprägniereinheit im Prozess getränkt und anschließend so behandelt, dass eine Verarbeitung, angelehnt an das Towpreg-Verfahren, möglich ist. Zur Imprägnierung der Fasern sollte das Harz eine möglichst niedrige Viskosität aufweisen, um das Fließen in den Faserstrang zu ermöglichen. Bei der anschließenden Weiterverarbeitung soll die Viskosität dann soweit ansteigen, dass die Probleme des Abschleuderns und Verrutschens der Fasern, die beim klassischen Nasswickeln auftreten, nicht entstehen. Hierfür wurde ein Harzsystem entwickelt, das es durch eine geschickte Temperaturführung ermöglicht, sowohl die niedrige Viskosität bei der Imprägnierung als auch die geforderte hohe Viskosität bei der Verarbeitung zu gewährleisten. Zur Umsetzung muss der klassische Nasswickelaufbau, wie in Abbildung 2 schematisch dargestellt, durch eine passende Kühlstrecke erweitert werden. Der Prozessablauf wird im Folgenden detailliert beschrieben:

Das Harz wird in einem konventionellem Harzbad erwärmt, um eine Absenkung der Viskosität zu erreichen. Mit dem nun ausreichend dünnflüssigen Harz kann der Roving getränkt und an den Umlenkrollen und Abstreifern penetriert und abgestreift werden. Anschließend wird der nasse Roving durch eine Kühlstrecke geleitet, um ihn auf Raumtemperatur abzukühlen. Durch die Reduzierung der Rovingtemperatur steigt die Viskosität des Harzes deutlich an, sodass ein trockener Roving mit ausgezeichnetem „Tack“ (Klebrigkeit) zur Ablage auf dem Wickelkern entsteht.

Auf der IVW-Technikumsanlage wurden vielversprechende Versuche durchgeführt, die das Potential des Prozesses bereits gezeigt haben. Abbildung 3 zeigt Probekörper, die während einer Versuchsreihe auf der aufgebauten Prototypenanlage am IVW gewickelt wurden. Im weiteren Verlauf des Projektes wird diese Prototypenanlage noch erweitert und verbessert werden, um den Status einer Vorserienanlage zu erreichen. Zuletzt wird ein Demonstrator im Typ-IV Druckbehälterdesign gewickelt.

Die hier vorgestellte SpeedPreg Produktionstechnik bietet das Potential, den Wickelprozess von duroplastischen Faserkunststoffverbunden weiter zu optimieren. Durch die Kombination der Vorteile des Nass- und Towpreg-Wickelns wird es möglich, den Reinigungsaufwand zu minimieren und den Ablageprozess zu verbessern. Zudem ist es möglich, durch die gesteigerte Anhaftung der Rovingoberfläche und der dadurch möglichen Anpassung des Wickelbildes, Fasermaterial einzusparen. Die erreichbaren Einsparungen und Optimierungen führen dazu, den Preis für die Speicherung von Wasserstoff zu senken und den Energieträger wirtschaftlich attraktiver zu machen.

Aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages, wurde das ZIM-Projekt "SpeedPreg - Entwicklung eines Wicklungsprozesses auf Basis des neuen Faserimprägnierungssystems und der Harzformulierung für hohe Wicklungsgeschwindigkeiten" vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie im Rahmen des Zentralen Innovationsprogramms für KMU gefördert. Wir danken den oben genannten Institutionen für die Bereitstellung der finanziellen Mittel.

Literaturverzeichnis:

(1) E. Kommision, "The European Green Deal," Brüssel, 2019.

(2) F. Dünnebeil, C. Reinhard, U. Lambrecht, A. Kies, S. Hausberger und M. Rexeis, "Zukünfigte Maßnahmen zur Kraftstoffeinsparung und Treibhausgasminderung bei schweren Nutzfahrzeugen," Umweltbundesamt, Dessau-Roßlau, 2015

(3) M. Kell, H. Eichlseder und A. Trattner, Wasserstoff in der Fahrzeugtechnik, Wiesbaden: Springer Fachmedien, 2018

(4) J. Tölper und J. Lehmann, Wasserstoff und Brennstoffzelle, Heidelberg: Springer, 2014

(5) F. Henning, Handbuch Leichtbau Methoden, Werkstoffe, Fertigung, München, Wien: Hanser2011

Ansprechpartner:
Dipl.-Ing. Benedikt Bergmann
Telefon: +49 631 2017 304
E-Mail: benedikt.bergmann@ivw.uni-kl.de

Abbildung 1: Gebräuchliche Gasdruckspeicher [4]

Abbildung 2: Schematische Darstellung des SpeedPreg-Prozesses

Abbildung 3: Gewickelte Prüfkörper mit dem SpeedPreg-Aufbau