Mit simulativ-experimentellen Ansatz zum digitalen Zwilling Effiziente Multiskalensimulation von Materialkennwerten mit experimentell kalibrierten Modellen eines Glasfasergeleges

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Der Multiskalenansatz ermöglicht eine präzise und effiziente Ermittlung von Materialkennwerten  technischer Textilien mit einem experimentell kalibrierten digitalen Zwilling. Der experimentelle Aufwand wird im Vergleich zur konventionellen Kennwertermittlung erheblich reduziert, wodurch Zeit  und Kosten bei der Bauteil- und Prozessauslegung  gespart werden.

Faser-Kunststoff-Verbunde (FKV) mit textiler Verstärkung haben einen bedeutenden Anteil am FKV-Markt. Zur Ermittlung der Kennwerte für die simulative Bauteil- und Prozessauslegung sind zahlreiche Versuche notwendig, um die verschiedenen Faservolumengehalte (FVG) und Strukturvariationen zu erfassen. Durch einen neuen simulativ-experimentellen Multiskalenansatz wird der experimentelle Aufwand und somit Zeit und Kosten reduziert. Ausgehend von einfach zu bestimmenden Eingabeparametern werden die Materialkennwerte von Textilien bzw. darauf basierenden FKV mit einem experimentell kalibrierten digitalen Zwilling präzise und effizient ermittelt.

Der in GeoDict integrierte Workflow wird zur effizienten Bestimmung der Permeabilität eingesetzt, die das Prozessverhalten bei der Imprägnierung mit einem Matrixsystem quantifiziert. Die multiskalige Permeabilitätsermittlung beginnt mit der Bestimmung der Mikropermeabilität innerhalb der Rovings. Davon getrennt folgt eine Mesomodellierung der Einzellagen, bestehend aus soliden Rovings mit richtungsabhängigen Mikropermeabilitäten. Dieser Ansatz minimiert den Rechenaufwand deutlich. Die Einzellagen werden innerhalb eines vorgegebenen Parameterraums randomisiert aufgebaut, um die stochastische Strukturvariation abzubilden. Mehrere Einzellagen werden mit zufälligem Offset gestapelt und virtuell kompaktiert, um so im digitalen Zwilling realitätsnahe Rovingdeformationen sowie Nesting und Ondulation abzubilden.

Die Permeabilität des Zwillings wird mit der Stokes-Brinkman-Gleichung durch einen Simple-FFT-Solver berechnet. Bei definiertem FVG werden die Simulationsergebnisse mit experimentell ermittelten Werten verglichen und eine Kalibrierung des Einzellagenmodells durchgeführt. Anschließend kann der digitale Zwilling virtuell auf höhere FVG kompaktiert werden. Bei der Untersuchung eines Glasfasergeleges „Hacotech G300U 1270“ erfolgt die Kalibrierung bei 50 % FVG, anschließend wird der Zwilling auf 55 % und 60 % FVG kompaktiert. Die simulativ ermittelten Permeabilitäten zeigen Abweichungen zu den experimentellen Ergebnissen von -30 % bis +42 % bzw. -35 % bis +8 % für diese FVG. Die Abweichungen liegen damit in der gleichen Größenordnung wie bei experimentellen Vergleichsstudien.

Der digitale Zwilling wird zudem zur Bestimmung der mechanischen Eigenschaften des mit Epoxidharz imprägnierten Geleges genutzt. Auf Mikroebene werden die Ergebnisse eines Reinharz-Zugversuchs mit den mechanischen Eigenschaften der Fasern kombiniert, um die Eigenschaften eines Rovings simulativ zu ermitteln und als homogene Eigenschaften der soliden Rovings des digitalen Zwillings annehmen zu können. Auf Mesoebene wird ein Zugversuch sowohl in GeoDict als auch im Labor durchgeführt. So können Deformation und Versagen präzise vorhergesagt werden.

Autoren: Martina Hümbert1, Tim Schmidt2, Aaron Widera, David May, Nicole Motsch

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Bild 1: Vergleich von Mikroskopaufnahmen mit einer Einzellage des digitalen Zwillings und der Computertomographie mit Schnittdarstellungen des digitalen Zwillings

Bild 2: Ergebnisse des kalibrierten digitalen Zwillings und der weiter kompaktierten digitalen Zwillinge im Vergleich zu den experimentellen Werten

Bild 3: Gegenüberstellung der Spannung-Dehnungs-Diagramme der Zugprüfungen von den digitalen Zwillingen gegenüber den experimentellen Werten