EFRE-EasyEntry2TPC - Inbetriebnahme einer Injektionsanlage zur Verarbeitung von ε-Caprolactam

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Die Herstellung von thermoplastischen Bauteilen mit gerichteter Faserverstärkung erfolgt regelmäßig im Thermoformverfahren, wobei der Bauteilherstellung eine Halbzeugherstellung vorausgeht. In dieser werden textile Halbzeuge mit einem Thermoplast in Pulverform oder in Gestalt einer thermoplastischen Folie vollimprägniert und als plattenförmige Halbzeuge (Organobleche) bereitgestellt. Diese können im nachgelagerten Thermoforming mittels eines Pressprozesses in die finale Kontur überführt werden. Das Verfahren ist zwar großserientauglich, aufgrund der hohen Schmelzviskositäten der thermoplastischen Matrix sind in der Halbzeugherstellung jedoch hohe Prozessdrücke und -temperaturen erforderlich, die mit entsprechenden Investitionen in die Anlagentechnik verbunden sind. Das Verfahren insgesamt bleibt darüber hinaus auf schalenförmige Bauteile beschränkt.

Eine weitgehende Abkehr von dieser klassischen Verarbeitungsroute für thermoplastische Verbundwerkstoffe stellt die Faserverbundherstellung auf Basis der Materialgruppe der reaktiven Thermoplaste dar. Während die Polymerisation vom Monomer zum langkettigen Polymer im konventionellen Fall unter kontrollierten Prozessbedingungen in den Reaktoren der chemischen Erzeugung geschieht und ihren Abschluss in der Herstellung von Thermoplast-Granulat findet, erlauben reaktive Thermoplaste eine in-situ Polymerisation, d.h. eine Verlagerung der Polymerisationsreaktion direkt in die Bauteilherstellung. Diese Methode hat eine Reihe von Vorteilen, ist jedoch besonders attraktiv aufgrund der sehr niedrigen Verarbeitungsviskositäten der reaktiven Thermoplaste, die sich teilweise unterhalb der duroplastischen Harzsysteme bewegen. Sie können damit in Harzinjektionsverfahren eingesetzt werden, die normalerweise den Duroplasten vorbehalten sind. Außerdem ist es möglich, die verarbeitungsseitigen Vorteile der Duroplastverarbeitung mit den materialseitigen Vorteilen der Thermoplaste zu vereinen, zu denen deren nachträgliche Umformbarkeit und Schweißbarkeit sowie deren großes Potential für das werkstoffliche Recycling zählen. Neben der erheblich einfacheren Imprägnierung der trockenen Faserstrukturen sind auch die deutlich geringeren Prozessdrücke und Prozesstemperaturen hervorzuheben. Darüber hinaus machen die geringeren Investitionskosten in Anlagentechnik auch kleinere Stückzahlen wirtschaftlich.

Dieser Brückenschlag ebnet den Weg für die Verkürzung der Prozesskette zur Herstellung thermoplastischer Bauteile mit gerichteter Faserverstärkung. Die vorgeschaltete Organoblechherstellung kann entfallen, und an die Stelle des Umformvorgangs tritt eine Injektion in ein mit einer textilen Preform bestücktes Werkzeug.

All diesen möglichen Vorzügen steht jedoch gegenüber, dass die Verarbeitung reaktiver Thermoplaste mit deutlich höheren Anforderungen an die Prozessführung und Prozesskontrolle einhergeht und sowohl eine spezielle Anlagentechnik als auch besonderes Know-how erfordert.  

Dieser Kompetenzerwerb im Umgang mit der reaktiven Verarbeitung von Thermoplasten stand im Zentrum des im Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE) geförderten Projektes „EasyEntry2TPC“, wobei das Hauptziel die Umsetzung einer Verarbeitung von ε-Caprolactam zu Polyamid 6 darstellte. Im Zuge des zweijährigen Projektes wurden am Leibniz-Institut für Verbundwerkstoffe die notwendige Anlagentechnik und Erfahrung aufgebaut, um speziell auch KMU, die bisher im Bereich der duroplastischen Flüssigimprägnierverfahren tätig waren, bei der Anwendung dieser Technologie zu unterstützen. Hierzu wurde neben einer Harzinjektionsanlage ein sensorbestücktes Injektionswerkzeug entwickelt. Beides kann im Nachgang dazu genutzt werden, sowohl verschiedene Kunststoffsysteme und Additive als auch verschiedene Prozessbedingungen zu untersuchen.

Die Injektionsanlage ist als Zweistrang-Anlage ausgeführt und vollständig temperierbar, da die Ausgangsmaterialien für die anionische Kettenpolymerisation zu PA6 bei Raumtemperatur als Feststoffe vorliegen, was eine durchgängige Beheizung der gesamten Anlagentechnik erforderlich macht. Darüber hinaus stellt das Materialsystem hohe Anforderungen an die Korrosionsbeständigkeit und die Vermeidung eines Feuchteeintrages. Konstruktionsseitig wurden diese Anforderungen durch die ausschließliche Verwendung hinreichend korrosionsbeständiger Werkstoffe sowie der Option, alle materialführenden Stränge mit Vakuum oder Schutzgas zu beaufschlagen, adressiert. Die Austragsmenge der Anlage beträgt bis zu 1 kg/min, die Steuerung ist über einen eingebauten Rechner und LabVIEW-Programmierung realisiert. Die Dimensionierung wurde bewusst oberhalb der Anforderungen eines reinen Laborbetriebes gewählt und bietet nicht zuletzt aufgrund einer großzügigen Bauraumdefinition genügend Potential für Modifikationen.

Förderhinweis:

Das Projekt „EasyEntry2TPC“ wurde vom Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und dem Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau (MWVLW) gefördert (Förderkennzeichen 84007039).

Danksagung:

Unser Dank gilt darüber hinaus dem industriellen Nutzerbeirat des Projektes EasyEntry2TPC, der die Anlagen- und Prozessentwicklung begleitete und durch seine Anwendersicht bereicherte. Außerdem bedanken wir uns bei der L. Brüggemann GmbH & Co. KG für die Unterstützung des Projektes und die Bereitstellung von Versuchsmaterial.

Kontakt:

M.Sc. Alexander Faas
Wiss. Mitarbeiter Imprägnier- & Preformtechnologien
E-Mail: alexander.faas@ivw.uni-kl.de
Telefon: +49 631 2017 434

Injektionsanlage und zugehöriges Injektionswerkzeug für die Verarbeitung von Caprolactam zu PA6