Digitalisierung eines CFK-Fertigungsprozesses

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Kohlenstofffasern besitzen die Eigenschaft, einfallendes unpolarisiertes Licht aus natürlichen oder künstlichen Lichtquellen zu polarisieren. Dabei spiegelt der Ausrichtungswinkel des reflektierten polarisierten Lichts die Orientierung der Kohlenstofffasern wieder (Abbildung 1 (a)). Mit einem geeigneten Bildgebungsverfahren kann dieser Effekt zur Messung der Faserorientierung an CFK-Bauteilen und Halbzeugen in Echtzeit genutzt werden. Da weder kostenintensive Ausrüstung noch eine aufwendige Probenvorbereitung notwendig sind, bietet diese Methode eine effiziente Alternative zu herkömmlichen Messmethoden wie z.B. CT-Scans oder Wirbelstrommessungen. In dem am Leibniz-Institut für Verbundwerkstoffe (IVW) durchgeführten Projekt wird die Messmethode unter Ausnutzung der Polarisation am Beispiel eines kohlenstofffaserverstärkten Sheet Molding Compound (C-SMC) Halbzeugs (bestehend aus 25,4 mm langen Kohlenstofffasern und einer duroplastischen Matrix) veranschaulicht. Dabei wird die Faserorientierung des Halbzeugs bereits während des Fertigungsprozesses bestimmt, was eine In-Situ Qualitäts-/Prozesskontrolle ermöglicht sowie ein digitales Abbild der Faserstruktur erzeugt.

Zur Messung wird eine Polarisationskamera eingesetzt, die mit einem vom Fraunhofer IIS patentierten Polarisationsfilter-Pixelsensor (Abbildung 1 (b)) ausgestattet ist. Zur kompletten Analyse der Faserorientierung werden bei dem Verfahren drei Bildkomponenten aufgenommen: die Lichtintensität, der Grad der linearen Polarisation (DOLP) und der Polarisationswinkel (AOP) (Abbildung 1 (c)). In einem nachgeschalteten Bildverarbeitungsprozess wird aus diesen drei Bildern das digitale Abbild der Messzone erstellt.

Abbildung 2 zeigt den schematischen Aufbau einer am IVW vorhandenen Standardproduktionslinie zur Herstellung eines C-SMC Halbzeugs. Im ersten Schritt wird ein Matrixsystem auf eine Trägerfolie (1) aufgetragen, bevor ein Schneidwerk (2) geschnittene Kohlenstofffasern mit einer Länge von 25,4 mm auf der Matrix und der Trägerfolie aufstreut. Die Polarisationskamera (3) ist direkt hinter dem Schneidwerk positioniert, sodass ein klarer, ebener Blick auf die vorbeilaufenden Kohlenstofffaserzuschnitte möglich ist. Um ein komplettes Abbild der Halbzeugrolle (4) zu erfassen, erstellt die Kamera einen Bildstapel aus Aufnahmen in vordefinierten Zeitintervallen, der anschließend zu einem Gesamtbild zusammengefasst wird.

Die Daten des digitalen Abbilds (Abbildung 3) können zum einen zur Dokumentation und  Qualitätskontrolle des Materials genutzt werden, zum anderen können die Informationen der Faserausrichtung an jeder beliebigen Stelle der Rolle extrahiert werden, um virtuelle Schneid- und Stapelpläne zu erstellen. Um die optimale Nutzung des Materials von der Rolle beim Formpressen von CFK-Bauteilen zu ermitteln, können diese Pläne als Inputinformation für eine Prozesssimulation und nach einem Optimierungsprozess als Vorlage für die realen Zuschnitte dienen.

Das am IVW - gemeinsam mit dem Fraunhofer ITWM und dem IIS - entwickelte Digitalisierungsverfahren für C-SMC Halbzeuge umfasst mehrere verschiedene Softwarekomponenten, die von der Erfassung der Rohdaten mittels Polarisationsbildgebung über die Verarbeitung dieser Rohdaten bis hin zur Berechnung und Visualisierung der Faserorientierungstensoren (FOTs) des Materials reichen.

Dieses Projekt wird vom Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik (ITWM) im Rahmen des Leistungszentrum Simulations- und Software-basierte Innovation gefördert. Dem Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS wird für die Unterstützung bei der Kamerahardware gedankt.

Kontakt:

Leibniz-Institut für Verbundwerkstoffe GmbH
Erwin-Schrödinger-Straße 58
67663 Kaiserslautern

Dr. Miro Duhovic
Telefon: +49 631 2017-363
E-Mail: miro.duhovic@ivw.uni-kl.de

PD Dr.-Ing. habil. David May
Telefon: +49 631 2017-400
E-Mail: david.may@ivw.uni-kl.de

Prof. Dr.-Ing. Joachim Hausmann
Telefon: +49 631 2017-301
E-Mail: joachim.hausmann@ivw.uni-kl.de

Prof. Dr.-Ing. Peter Mitschang
Telefon: +49 631 2017-461
E-Mail: peter.mitschang@ivw.uni-kl.de

Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik ITWM
Fraunhofer-Platz 1
67663 Kaiserslautern

Dr. Konrad Steiner
Telefon: +49 631 31600-4342
E-Mail: konrad.steiner@itwm.fraunhofer.de

Autoren/Authors:

Miro Duhovica, Thomas Hoffmanna, Dominic Schommer a, David Maya, Jürgen Ernst b, Katja Schladitz c, Ali Moghisehc, Florian Gortner a, Joachim Hausmann a, Peter Mitschang a, Konrad Steiner c

a: Leibniz-Institut für Verbundwerkstoffe GmbH, 67663 Kaiserslautern, Germany
b: Fraunhofer IIS, Am Wolfsmantel 33, 91058 Erlangen, Germany
c: Fraunhofer ITWM, Fraunhofer-Platz 1, 67663 Kaiserslautern, Germany

 

Abbildung 1. a) Grundlegendes Funktionsprinzip der Lichtpolarisation durch Reflektion, b) vom Fraunhofer IIS patentierter Pixelfilter, der in der Polarisationskamera zur Erfassung des Polarisationswinkels verwendet wird, und c) die drei gleichzeitig aufgenommenen Bilder (Intensität, DOLP und AOP), die an einer Probe mit zufällig verteilten Kohlenstofffaser-Rovings gezeigt werden

Abbildung 2. Schematische Darstellung der Produktionsschritte eines C-SMC-Halbzeugs auf der am IVW vorhandenen SMC-Linie und der Messung der Faserorientierung während der Materialherstellung mittels Polarisationsbildgebung

Abbildung 3. Beispiel für einen generierten digitalen Schnittplan mit verschieden ausgeschnittenen Geometrien und der daraus resultierenden Faserorientierung, die für eine genaue Prozesssimulation verwendet werden