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Zur Steigerung der Effizienz in der Verarbeitung von naturfaserverstärkten Thermoplasten, welche meist als semi-strukturelle Bauteile in der Automobilindustrie eingesetzt werden, wird ein neuer Ansatz verfolgt, der sowohl die Prozesskette als auch die Zykluszeiten zur Herstellung der einzelnen Bauteile deutlich verkürzen soll. Bei der Herstellung von naturfaserverstärkten thermoplastischen Bauteilen wird mit Hilfe einer innovativen Methode während der Produktion der Halbzeuge und durch die Wahl einer neuartigen und verbesserten Heiztechnologie während der Herstellung der Bauteile die Möglichkeit geschaffen, die sogenannte Kontaktheizpresse einzusparen und die Zykluszeiten deutlich zu reduzieren.

Naturfaserverstärkte Kunststoffe (NFK) finden seit Jahrzehnten Anwendung in der europäischen Automobilindustrie und werden hauptsächlich zu semi-strukturellen Bauteilen wie zum Beispiel Türverkleidungen, Dachversteifungen und Rückenlehnen verarbeitet, siehe Abbildung 1. Als werkstoffliche Basis für NFK-Bauteile dienen meist Hybridvliese, welche auf das Werkstoffgewicht bezogen jeweils zur Hälfte aus Natur- und zur Hälfte aus Thermoplast-Schmelzfasern bestehen. Hierbei wird aus Kostengründen als thermoplastische Schmelzfaser meist Polypropylen (PP) eingesetzt. Diese Vliese werden in Pressstraßen zu Bauteilen verarbeitet. Bei der Verarbeitung werden die Halbzeuge zunächst in einer Kontaktheizpresse unter Druck (≈ 10 bar) und Temperatur (bis zu 220 °C) kalibriert und die Naturfasern dabei mit der Kunststoffmatrix imprägniert. Hierbei werden die Hybridvliese zu einer Dicke, welche ca. 20 % größer als die Enddicke des späteren Bauteils ist, kompaktiert. Höhere Kompaktierungsgrade und Temperaturen würden zu Schädigungen der Fasern (Kollabieren bzw. thermische Schädigung) führen. Nach der Kontaktheizpresse werden die NF-Halbzeuge mit Umformtemperatur in eine Presse transportiert und dort anschließend zu Bauteilen verarbeitet. Optional besteht die Möglichkeit, die Halbzeuge nach der Kontaktheizpresse und vor der Umformung in einer optionalen Kaschierpresse zu laminieren und so vor der Umformung eine Deckschicht auf das Halbzeug aufzubringen. Die Verarbeitung der NF-Halbzeuge in zwei bzw. drei Einzelschritten ist mit erheblichem Platz- und Energiebedarf sowie hohem Investitionsaufwand verbunden. Abbildung 2 zeigt schematisch den Stand der Technik und die Prozessschritte zur Herstellung von NF/PP-Bauteilen.

Effiziente Prozessführung: Im Rahmen des Forschungsprojektes „InfraHeat“ (Entwicklung eines Infrarot-Absorbers zur selektiven Erwärmung eines Duroplast-Binders in Naturfaser-Vliesen, Förderkennzeichen: ZF4052314SL6 (BMWi)) wird die Modifikation von naturfaserverstärkten Thermoplasten hinsichtlich einer effizienten Verarbeitung untersucht. Hierzu wird in einem ersten Schritt ein naturfaserverstärktes Halbzeug hergestellt, bei dem die konventionell verwendeten PP-Spinnfasern durch ein Matrixsystem (Acrodur® Power 2750 X; Lieferant: BASF SE) ersetzt wurden. Bei der Herstellung des Halbzeuges werden die Naturfasern, wie bei konventionellen Halbzeugen, in Ballenform angeliefert und durchlaufen anschließend einen Öffnungs-, Krempel-, Kreuzlege-, und Vernadelungsprozess. Hierbei wird ein vernadeltes Faservlies mit definiertem Flächengewicht hergestellt. Dieser Vliesstoff wird anschließend in einem Foulard-System mit dem Matrixsystem imprägniert. Während eines Trocknungsvorgangs, in den eine Kompaktierung des Halbzeuges integriert ist, wird die Matrix vorvernetzt. Das vorvernetzte Halbzeug kann entweder auf Rollen aufgerollt und transportiert oder direkt konfektioniert werden. Dieses vorkonfektionierte Halbzeug wird mit Hilfe eines Infrarot-Strahlerfeldes mit definierter Wellenlänge erwärmt und kann anschließend in einer konventionellen Umformpresse zu Bauteilen verarbeitet werden.

Ein weiterer Forschungsansatz besteht in der Entwicklung von Infrarot-Absorbern. Hierzu werden die Absorptionsspektren der IR-Absorber auf die Spektren der IR-Strahler, der Matrix und der Halbzeuge abgestimmt. Die IR-Absorber absorbieren in einem definierten Wellenlängenbereich, der dem Strahlungsmaximum konventioneller mittelwelliger IR-Strahler entspricht. Durch die Anpassung der Absorptionsspektren wird eine selektive Erwärmung der polymeren Matrix in den Prepregs und dadurch eine Verschlankung der Prozesskette ermöglicht, ohne dass die Naturfasern thermisch geschädigt werden. Durch eine Optimierung der Abstände zwischen IR-Strahler und Halbzeug sowie der Optimierung der Strahlungsleistung ist es möglich, ein Naturfaserhalbzeug mit einem Flächengewicht von ca. 1.800 g/m², wie es üblicherweise im Automobilbereich genutzt wird, innerhalb von ca. 15 bis 20 Sekunden zu erwärmen und anschließend auf konventionellen Umformpressen umzuformen [1]. Durch die geringere thermische Belastung der Naturfasern wird die typische Geruchsentwicklung minimiert. Ein weiterer Vorteil ist ein Fasergehalt von bis zu 70 Gew.% im Bauteil, welcher zu einer Steigerung der mechanischen Eigenschaften führt [2]. Die Erwärmung der Halbzeuge mit dem Strahlerfeld ersetzt die konventionelle Kontaktheizpresse, wodurch sowohl die Invest- und Betriebskosten als auch der Platzbedarf bei der Herstellung von naturfaserverstärkten thermoplastischen Bauteilen deutlich reduziert werden können. Abbildung 3 zeigt die Verarbeitung der optimierten naturfaserverstärkten Thermoplaste.

Die durchgeführten Untersuchungen zeigen, dass eine Erwärmung von naturfaserverstärkten Thermoplasten auch unter industriellen Bedingungen (Halbzeuggröße ca. 1000 x 1500 mm) möglich ist. Im Rahmen des Forschungsprojektes werden durch den Projektpartner Schäfer Additivsysteme GmbH IR-Absorber hinsichtlich ihrer Absorptionswirkung untersucht und optimiert. Der Projektpartner J. Dittrich & Söhne Vliesstoffe GmbH entwickelt einen Prozess zur industriellen Produktion hinsichtlich IR-Erwärmung optimierter Halbzeuge. Das IVW führt die Aufheiz- und Umformversuche sowie die Bestimmung der Imprägnier- und Bauteilqualität inkl. Bestimmung mechanischer Kennwerte durch.

Weitere Informationen:
M.Sc., Dipl.-Ing. Florian Gortner
Verarbeitungstechnik
Institut für Verbundwerkstoffe GmbH
Erwin-Schrödinger-Str. 58
67663 Kaiserslautern
Telefon: +49 (0) 631/2017 439
E-Mail: florian.gortner@ivw.uni-kl.de

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