Zustandsüberwachung von CFK Strukturen – Mit künstlicher Intelligenz zum Ziel?

Eine ständige Herausforderung für die Konstruktion und den Betrieb von CFK-Primärstrukturen ist ihre Empfindlichkeit gegenüber stoßartigen Belastungen (z.B. Steinschlag, “Tool Drop“, etc.). Vor allem, wenn die Belastung senkrecht zur Laminatebene erfolgt, kann es durch die resultierenden Kräfte zwischen den Schichten zur Ausbildung von außen nicht immer sichtbaren Delaminationen und Faserbrüchen kommen, die die Struktur schwächen und damit ein Risiko für den Anwender darstellen. In der Praxis wird diesem Umstand oftmals durch regelmäßige Inspektionen oder konservative Auslegung begegnet. Eine Alternative dazu stellen Structural Heath Monitoring (SHM)-Systeme. Hier wird die Struktur mit Sensorik ausgestattet, um sie permanent zu überwachen und den Anwender damit frühzeitig über kritische Zustandsveränderungen zu informieren. Im Zeitalter der Digitalisierung, in dem die notwendige Rechenleistung und Speicherkapazität für solche Systeme zur Verfügung stehen, wird dieser Ansatz immer attraktiver. Mit einem solchen System könnten nicht nur Wartungskosten eingespart, es kann  auch weiteres Leichtbaupotential erschlossen werden.

Trotz dieser Vorteile finden solche Systeme im Bereich der Faserkunststoffverbunde kaum Einsatz. Die größten Markteintrittsbarrieren für die Technologie stellen aktuell noch Systemkosten und -zuverlässigkeit dar. Nur wenn der Anwender sich zu 100% auf die Aussagen des Systems verlassen kann, können die genannten Vorteile auch ausgeschöpft werden. Eine Herausforderung für den Entwickler von SHM Systemen besteht darin, diese Zuverlässigkeit wirtschaftlich darstellen zu können. 

Im Rahmen des Projektes Listen2theSOURCE hat sich das Institut für Verbundwerkstoffe dieser Aufgabe gestellt und einen Demonstrator entwickelt, mit dem sich Schädigungsereignisse imitieren und zuverlässig in einer komplexen CFK-Struktur lokalisieren lassen. Die Detektion erfolgt anhand der resultierenden akustischen Emission der Schädigungsereignisse, die  sich in Form von Wellen in der Struktur ausbreiten und über piezoelektrische Sensoren erfasst werden können. Durch Auswertung der Ankunftszeitunterschiede zwischen den Sensoren lässt sich eine Aussage über die Position der Quelle bzw. die Art des Schädigungsereignisses treffen.

Die Herausforderungen bei der Quellenlokalisierung in dünnwandigen CFK-Strukturen liegen in der Berücksichtigung von Wellendispersion, anisotropen Materialeigenschaften und variabler Bauteilgeometrie. In dieser Arbeit wird die Komplexität durch das Training eines neuronalen Netzwerks erfasst. Zu diesem Zweck werden künstliche Schallquellen (Bleistiftminenbrüche) verwendet, die Schallemissionen typischer Schädigungsereignisse in Frequenz- und Modengehalt reproduzierbar nachahmen (siehe Abbildung 1 als Beispiel).

Die zu überwachende Struktur besteht aus einem mit einem Netzwerk von piezoelektrischen Sensoren ausgestatteten Omega-Profil, das für eine zuverlässige Lokalisierung innerhalb eines definierten Fensters ausgelegt ist. Die Signalverarbeitung erfolgt auf einem Einplatinenrechner (z. B. Raspberry Pi), der zusammen mit einem Digitaloszilloskop die in Abbildung 2 dargestellte Messkette vervollständigt.

Für das Training des Netzwerkes wurden - in Abständen von je 50 mm - insgesamt 15 Punkte (grau), an denen Bleistiftminenbrüche durchgeführt wurden, auf dem Profil markiert, um die resultierenden Ankunftszeitunterschiede zwischen den vier installierten Sensoren zu erfassen (siehe Abbildung 4). Mit den bekannten (x, y) Positionen des Minenbruchs und den Ankunftszeitunterschieden der je sechs Sensorpaarungen lässt sich anschließend das in Abbildung 3 gezeigte Feedforward-Netzwerk mit zwei verdeckten Schichten trainieren. 

Zur Validierung des Demonstrators wurden 5 weitere Testpunkte (rot) definiert, die das Netzwerk im Rahmen des Trainings noch nicht gesehen hat. Die Abweichungen der Lokalisierungsergebnisse (Soll und Ist-Position) in den Trainings- und Testdaten sind in Abbildung 4 anhand der schwarzen Linien dargestellt. In Summe konnten in der 100 x 200 mm großen Zone die Schallquellen mit einem mittlerer Lokalisierungsfehler von ca. 10 mm lokalisiert werden.

Mit diesen ersten Ergebnissen sollen zukünftig die Grenzen der künstlichen Intelligenz für diese Anwendung anhand des Demonstrators näher untersucht werden.

Das Projekt „Listen2theSOURCE – Entwicklung von Mess- und Auswertemodulen zur Identifizierung von faserverbundtypischen Schadensereignissen bei der Schallemissionsanalyse“ wurde durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert (Förderkennzeichen ZF4052302WM5).

Weitere Informationen:
Dipl.-Ing. Benjamin Kelkel
Institut für Verbundwerkstoffe GmbH
Tailored & Smart Composites
Erwin-Schrödinger-Straße 58
67663 Kaiserslautern
Telefon: +49 631 2017-318
E-Mail: benjamin.kelkel@ivw.uni-kl.de

Abbildung 1: Resultierendes Zeitsignal (a) und Zeit-Frequenzsignal in Waveletdarstellung (b) nach Anregung mittels Bleistiftminenbruch

Abbildung 2: Hardwarekomponenten des Demonstrators zur Lokalisierung von künstlichen Schallquellen (Bleistiftminenbrüche) auf einer CFK Struktur

Abbildung 3: Feedforward Netzwerk mit zwei verdeckten Schichten zur Bestimmung der Position von künstlichen Schallquellen (Output), auf Basis von 6 Ankunftszeitunterschieden (Input)

Abbildung 4: Vergleich der realen Trainings- (graue Quadrate) und Testdatenpunkte (rote Diamanten) mit den durch das Netzwerk vorhergesagten Punkten. Abweichungen zwischen Soll- und Ist-Position werden durch schwarze Linien angezeigt.