ZEUS – Datengetriebene Methoden zur Prozessüberwachung

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Im Verbundprojekt „LuFo-ZEUS“ „Zero Emission aircraft with sustainable fuselage concept and technology“ beschäftigt sich das Leibniz-Institut für Verbundwerkstoffe (IVW) mit der Entwicklung von integralen Bauweisen, Simulationsmethoden und Herstellprozessen für thermoplastische Rumpfkomponenten der Zukunft, wie thermoplastische Türumgebung und thermoplastische Profile. Ein Fokus liegt auch auf neuartigen, datengetriebenen Methoden zur Prozessüberwachung. Dabei sollen in einem Fertigungsprozess erfasste Daten zum Training einer Künstlichen Intelligenz (KI) verwendet werden, die dann in der Nutzungsphase in situ eine robuste Vorhersage der erzielten Bauteilqualität ermöglicht. Der hierfür ausgewählte Prozess ist das Intervallheißpressen. Dessen inkrementelle Arbeitsweise eignet sich hervorragend für eine Charakterisierung und Bewertung einzelner Fertigungsabschnitte und somit der Generierung vieler Datensätze.

Zur Umsetzung sind im Wesentlichen drei Voraussetzungen zu erfüllen. Zuerst muss sichergestellt werden, dass die erfassten Daten sowohl in Umfang als auch Qualität einen ausreichenden Informationsgehalt liefern, der das Training einer leistungsfähigen, verlässlichen und aussagekräftigen KI ermöglicht. Nur wenn die erhobenen Daten tatsächlich ausreichenden Bezug zur Fertigungsqualität aufweisen, kann daraus auch eine zuverlässige Aussage getroffen werden. Um die ausreichende Datenlage im betrachteten Prozess des Intervallheißpressens zu gewährleisten, erfolgt eine enge Abstimmung mit dem Projektpartner XELIS, Hersteller thermoplastischer Profile mit Kohlenstoff- und Glasfasern, seit Jahrzehnten erfahrener Anwender des Intervall-Heißpressens und in diesem Segment ein Weltmarktführer. Die einzigartigen Prozesse und Anlagen ermöglichen die Herstellung endloser FKV-Profile in nahezu beliebigen Konfigurationen. Im Projekt stellt ihre langjährige Erfahrung mit dem Fertigungsprozess die Grundlage für die Wahl jener entscheidenden Daten dar.

Ein Schwerpunkt in der Zusammenarbeit im Projekt liegt auf der Aufbereitung der Daten. So muss evaluiert werden, ob sich Datenpunkte gegenseitig beeinflussen und ob der Prozess relevanten zeitlichen Schwankungen unterliegt. Ist dies der Fall, können einige populäre KI-Modelle wie K-Means-Clustering oder Support-Vector-Maschinen nur sehr eingeschränkt zum Einsatz kommen. Für unabhängige Daten können leistungsfähige, verhältnismäßig einfache Modelle wie K-Means-Clustering oder Support-Vector-Maschinen eingesetzt werden. Bestehen jedoch Zusammenhänge über die Abfolge der Daten, müssen aufwändigere KI-Ansätze wie Neuronale Netze (NN) mit geschlossenen wiederkehrenden Einheiten (GRU) oder auch „Long-Short-Term-Memory“-Einheiten (LSTM) sowie Vektorautoregressive Modelle eingesetzt werden. Diese komplexeren Machine-Learning-Methoden erfordern im Vergleich zu den erstgenannten Methoden einen größeren Datensatz für eine Abbildung eines Modells mit einem vergleichbar hohen Umfang an betrachteten Einflüssen. Aufgrund der begrenzten Datenmenge in „LuFo-ZEUS“, müssen diese durch vorhandenes Wissen über den Prozess ergänzt werden, das in Form eines „Physics Informed Neural Networks“ (PINN) oder durch weitere Ergebnisse aus anderen IHP-Prozessen mittels Transfer-Learning eingebracht werden kann. Die Verwendung einzelner Submodelle für sorgfältig ausgewählte Zusammenhänge stellt ebenfalls eine Möglichkeit dar, das Wissen über den Prozess aus dem Erfahrungsschatz der Projektpartner für die Betrachtung komplexerer Zusammenhänge mit einem limitierten Datensatz einzusetzen.  Die Auswahl der letztlich eingesetzten Methoden kann nur unter Berücksichtigung der vorliegenden Prozessdaten erfolgen, weshalb deren Aufbereitung einen entscheidenden Schritt darstellt.

Die zweite große Herausforderung ist der effiziente und zielgerichtete Einsatz der gewonnenen Daten zum Training von verschiedensten KI-Modellen unter simultaner Berücksichtigung zusätzlicher Optionen wie dem Einsatz von föderalem Lernen oder Transferlernen. Dies erfordert langjährige Expertise im vielseitigen, fertigungsnahen Einsatz verschiedenster KI-Lösungen. Hier stellt die strategische Kooperation mit dem Lehrstuhl für Werkzeugmaschinen und Steuerungen (WSKL) der Rheinland-Pfälzischen Technischen Universität Kaiserslautern-Landau (RPTU) und dessen einzigartige Erfahrung eine bedeutende Komponente auf dem Weg zur erfolgreichen KI-Anwendung dar.

Die letzte entscheidende Aufgabe ist die zuverlässige Beurteilung der Prozessergebnisse anhand gesicherter, klassischer und etablierter Messungen an den produzierten Bauteilen. Diese garantiert die Qualität der Trainingsdatensätze und erlaubt einen echten Übergang von der rein akademischen Betrachtung des Problems zur Lösung der Herausforderungen bei einem industriellen Endanwender. Diese Aufgabe übernimmt der Projektpartner Airbus, der als größter europäischer Luft- und Raumfahrtkonzern über eine einzigartige Expertise in der Entwicklung und Bewertung von FKV-Prozessen und Bauteilen in der Luftfahrt verfügt.

Gemeinsam soll es gelingen, die Korrelation herzustellen und eine leistungsfähige KI zu trainieren, die in der Zukunft einen erheblichen Mehrwert liefert: Durch robustere Prozesse können Kosten eingespart werden, nicht nur durch effizienteren Materialeinsatz, sondern auch durch sinkende Kosten in der Betreuung des Prozesses. Ist der Sprung zu fortgeschrittenen KI-Methoden einmal geschafft, können diese weiterentwickelt statt neu entwickelt werden. Somit wird die Anwendung von Mal zu Mal einfacher und erfordert immer weniger menschliches Eingreifen. Ist die Anwendung völlig etabliert, können auch die zuarbeitenden Messmethoden reduziert werden. Dies ist von großer Relevanz bei den teuren in situ Messungen und noch viel mehr bei den zeitraubenden ex situ Prüfungen. Gemeinsam mit den Projektpartnern geht das Leibniz-Institut für Verbundwerkstoffe damit einen großen Schritt in Richtung Produktion der Zukunft.

 

Das Projekt „LuFo-ZEUS“ Zero Emission aircraft with sustainable fuselage concept and technology wird aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) gefördert, Förderkennzeichen: 20W2106F.

Kontakt

M.Sc.

Fabian Röder

Wiss. Mitarbeiter Digitalisierte Prozess- und Materialentwicklung