Prozessanalyse des pseudo-plastischen Verformungsverhaltens von unidirektional verstärkten Stapelfaser-Organoblechen

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Im Projekt „Prozessanalyse des pseudo-plastischen Verformungsverhaltens von unidirektional verstärkten Stapelfaser-Organoblechen“ wird der Einsatz von Stapelfasergarnen aus rezyklierten Kohlenstofffasern (rCF-SF) zur Herstellung von Organoblechen und deren Verhalten im Thermoformverfahren erforscht.

Organobleche haben sich im Bereich der faserverstärkten Thermoplaste etabliert, weil sie die Möglichkeit bieten, in kurzen Zykluszeiten im Thermoformprozess zu Bauteilen verarbeitet zu werden. Sie besitzen außerdem eine gute Lagerfähigkeit, ein unkompliziertes Handling und bieten durch die kontinuierliche Verstärkung mit Geweben/Gelegen hervorragende mechanische Eigenschaften. Ein wesentlicher Nachteil ist jedoch, dass sie durch die kontinuierliche Faserverstärkung nicht plastisch verformbar sind. Die Belastung der kontinuierlichen Fasern führt aufgrund der geringen Bruchdehnung nahezu direkt zum Materialversagen. Organobleche sind lediglich drapierbar und erlauben daher eine vergleichsweise begrenzte geometrische Bauteilkomplexität.

Mit dem verstärkten Einsatz von CFK wird es zukünftig auch zunehmend CFK-Bauteile geben, die am Ende ihrer Lebensdauer recycelt werden müssen. Aktuell sind jedoch insbesondere Produktionsabfälle zu recyceln, die während der Bauteilherstellung als Ausschussteile oder CF-Halbzeug-Abfälle anfallen. Diese müssen wiederum in bereits mit Matrix imprägnierte CF-Halbzeuge und trockene CF-Abfälle unterteilt werden. Bei den in beträchtlichen Mengen anfallenden trockenen Abfälle handelt es sich zum einen um Spulenreste oder Fehlproduktionen bei der CF-Herstellung und zum anderen um Verschnittreste aus der Herstellung textiler Vorprodukte.

Eine Möglichkeit diese trockenen CF-Abfälle in ein weiterverarbeitbares Halbzeug mit möglichst großer Faserlänge und maximaler Orientierung zu überführen, ist die Herstellung sogenannter Stapelfasergarne. Der Prozess beginnt mit der Vorauflösung und Reinigung der Abfälle. Im Kardierprozess werden die Faserflocken bis zur Einzelfaser aufgelöst, parallelisiert und weiter gereinigt, wobei Kurzfasern entfernt und ein Faserband gebildet werden. In den nachfolgenden Prozessschritten werden die parallelisierten Fasern verstreckt und weiter parallelisiert. Im letzten Schritt, dem Garnbildungsprozess, wird das Faserband auf die gewünschte Garnfeinheit verstreckt und zur Verfestigung kompaktiert. Die Kompaktierung erfolgt - je nach Garnbildungsverfahren - durch Drehung, Umwindung des Faserverbandes oder Umhüllung mit Mantelfasern.

Im Projekt „Prozessanalyse des pseudo-plastischen Verformungsverhaltens von unidirektional verstärkten Stapelfaser-Organoblechen“ werden Stapelfasergarne aus rCF und PA6 Fasern der Firma Wagenfelder Spinnerei GmbH in einem modifizierten Imprägnier- und Kalandrierprozess zu Tape-Halbzeugen weiterverarbeitet. Durch ein erstes Rollenpaar werden Garne von Spulen abgezogen und vorkompaktiert. Die Garne werden durch Heißgasdüsen über die Schmelztemperatur des Polymers erwärmt und durch eine Geschwindigkeitsdifferenz zum zweiten Rollenpaar verstreckt, um die Faserausrichtung der recycelten Carbonfasern zu verbessern. Im zweiten Rollenpaar werden die verstreckten Garne imprägniert und zu einem Stapelfaser-Tape (SF-Tape) konsolidiert. Der Einfluss der entscheidenden Prozessparameter (Temperatur, Prozessgeschwindigkeit und Verstreckung) auf den Grad der Faserorientierung und die resultierende Breite und Dicke des Tapes werden durch den Einsatz einer Polarisationskamera bzw. mit Hilfe eines Laserprofilsensors erfasst. Der Konsolidierungsgrad, die Faserverteilung und -ausrichtung der Tapes werden mittels mikroskopischen Untersuchungen bestimmt. Durch die Digitalisierung der SF‑Tape‑Charakteristik können mögliche Problem- und Fragestellungen entlang der Prozesskette bis zum Thermoformergebnis direkt auf das SF-Tape zurückgeführt werden.

Die hergestellten rCF-SF-Tapes werden im Tapelegeprozess unter zusätzlicher Verstreckung zu Stapelfaser-Organoblechen (SF-OB) weiterverarbeitet. Die dabei auftretende Ausdünnung der SF‑Tapes durch die zusätzliche Verstreckung wird durch zusätzliche Tapelagen in Plattenbreite und -dicke kompensiert. Um eine vergleichbare Laminatqualität zu gewährleisten, werden alle Laminate vor deren Charakterisierung im Autoklaven nachkonsolidiert. Die in Zug- und Biegeprüfungen ermittelten Kennwerte der SF-OB werden auf Kennwerte von Laminaten aus Tape-Neuware bezogen, um ein Bewertungsmaß für die Faserausrichtung zu definieren. Darüber hinaus werden die SF-OB in temperierten Zugversuchen hinsichtlich ihres pseudo-plastischen Materialverhaltens detailliert analysiert. Hierzu wurde ein neuartiges Prüfmodul entwickelt, welche die Zugprobekörper in der Belastungszone homogen temperiert und im Anschluss an den Zugversuch rekonsolidiert. Die Erkenntnisse aus den temperierten Zugversuchen werden im Thermoformprozess verifiziert und aufbauend auf diesen Ergebnissen wird ein bestehendes Beschreibungsmodell zum Prozessverhalten im Thermoformprozess kalibriert.

Übergeordnetes Ziel des Vorhabens ist es, durch eine innovative Prozesskette sowohl die Verwertung von CF-Primärabfällen als auch neue Anwendungsfelder durch ein neuartiges pseudo-plastisches Verformungsverhalten beim Thermoformen zu ermöglichen.

Das Projekt „Prozessanalyse des pseudo-plastischen Verformungsverhaltens von unidirektional verstärkten Stapelfaser-Organoblechen“ wird gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) – Förderkennzeichen 471480678.

Weitere Informationen:

Martin Detzel M.Sc.
Leibniz-Institut für Verbundwerkstoffe GmbH
Press- & Fügetechnologien
Erwin-Schrödinger-Straße 58
67663 Kaiserslautern
Telefon: +49 631 2017-164
E-Mail: martin.detzel@ivw.uni-kl.de

rCF-Stapelfasergarn

Tapeproduktionsanlage

3D-Aufnahme eines Tapes (aufgenommen mit dem Laserprofilsensor)

Schliffbild von einem rCF-Tape