OrganiQline setzt neue Maßstäbe

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Rheinland-Pfälzer Konsortium entwickelt neue Anwendung für Bauteile aus nachhaltigen Verbundwerkstoffen in Küchen

Naturfaserverstärkte Kunststoffe (NFK) sind seit Jahrzehnten in technischen Bereichen (z. B. in der Automobilindustrie) etabliert und bei vielen Anwendungen Stand der Technik. Der Einsatz von Naturfasern kann hauptsächlich durch ihre sehr guten thermischen und akustischen Isolationseigenschaften begründet werden. Weiterhin sind ihre mechanischen Eigenschaften dichtebezogen mit denen von Glasfasern vergleichbar. In der Automobilindustrie werden die Naturfasern meist im Bereich der semi-strukturellen Bauteile, wie zum Beispiel Kartentaschen, Türverkleidungen oder auch Innenraumbauteilen genutzt, siehe Abbildung 1.

Entsprechend ihrer Anwendung werden Naturfaser-Bauteile im Automobil entweder mit thermoplastischer Matrix im Thermoformverfahren oder mit duroplastischer Matrix im Heißpressverfahren verarbeitet. Aus Kostengründen kommt als thermoplastische Matrix meist Polypropylen (PP) zum Einsatz. Als duroplastische Matrix kann zum Beispiel das duroplastische Bindemittel Acrodur eingesetzt werden.

Im Rahmen eines gemeinsamen Projektes wurde von den Projektpartnern Holzwerk Rockenhausen GmbH & Co. KG, J. Dittrich & Söhne Vliesstoffwerk GmbH und dem Institut für Verbundwerkstoffe ein nachhaltiger Werkstoff zur Anwendung für Innenausstattungen in Küchen-Schubkästen und -Auszügen entwickelt. Diese werden von der Firma Holzwerk Rockenhausen weltweit vertrieben. Konkrete Projektinhalte waren hierbei unter anderem die Entwicklung des umweltverträglichen Verbundwerkstoffes „OrganiQ“ basierend auf 78 Gew.-% Naturfasern und 22 Gew.-% duroplastischem Bindemittel durch die Firma Dittrich und Söhne. Das Bindemittel ist auf Wasserbasis, formaldehyd- und phenolfrei. Als Verstärkungsfasern wurden Hanf und Kenaf ausgewählt, da diese Fasern sowohl auf kargen und anspruchslosen Böden schnell wachsen und entsprechend viel Kohlendioxid binden - aber auch sehr gute mechanische Eigenschaften besitzen. Durch die räumliche Nähe der Projektpartner, siehe Abbildung 2, kann weiterhin eine Einsparung von CO2-Emissionen während des Transports erreicht werden.

Parallel zur Materialentwicklung wurde durch das IVW ein Verarbeitungsprozess entwickelt, welcher sowohl auf die Nutzung des vorhandenen Maschinenparks als auch auf die anspruchsvollen Qualitätskriterien der Firma Holzwerk Rockenhausen abgestimmt wurde. Durch die Kooperation der Projektpartner konnte eine Prozesskette vom Rohstoff bis zum Bauteil entwickelt werden. Das entwickelte Material kann als Alternative zu hochwertigen Hölzern - welche bisher zum Einsatz kamen - genutzt werden. Durch Symbiose von Naturfaser-Halbzeugen und hochwertigen Hölzern wurde die „OrganiQline“ durch Holzwerk Rockenhausen entwickelt, siehe Abbildung 3.

Diese vollkommen neue Ausstattungsserie wurde bisher auf den Messen Interzum 2019 in Köln und Sicam 2019 in Pordenone (Italien) vorgestellt und hat dort sehr positive Bewertungen durch potentielle Kunden erhalten. Mittlerweile wurde der Einsatz des Materials in Küchenschubladen durch die DEKRA Automobil GmbH – Labor für Umwelt- und Produktanalytik in Stuttgart auf Schadstoffe und Lebensmittelverträglichkeit geprüft und freigegeben. Durch seine besondere Oberflächenstruktur und durch seine - denen von Massivholz ähnlichen - Bearbeitungsmöglichkeiten bietet OrganiQ alle Chancen zur Umsetzung neuer Ideen bzw. kundenspezifischer Ausstattungen. Drei Küchenhersteller haben zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Beitrages schon entschieden, Besteckeinsätze aus OrganiQ serienmäßig mit in das Portfolio aufzunehmen.

Aktuell ist die Nachfrage nach dem OrganiQ-Material sehr stark gestiegen, so dass Holzwerk Rockenhausen den Kauf einer weiteren Presse zur Halbzeugherstellung angestoßen hat.

Durch die Kooperation lokaler Projektpartner konnte in einer sehr kurzen Entwicklungszeit ein neuer Faserverbundwerkstoff für eine innovative Anwendung entwickelt und etabliert werden. Dies trägt zur Stärkung des Wirtschafts- und Wissenschaftsstandortes Rheinland-Pfalz bei.

Kurzbeschreibung der Projektpartner:

Kurzbeschreibung Holzwerk Rockenhausen: Der Customizing-Gedanke, der Trend zur Einfachheit und das Bewusstsein für nachhaltige Lösungen stehen beim Holzwerk Rockenhausen im Mittelpunkt. Das zur Kesseböhmer-Gruppe gehörende Unternehmen steht für hohes Innovationspotenzial bei der Entwicklung hochwertiger Holz-Innenausstattungen für Schubkästen und Auszüge in Küchen, Bädern und im Wohnbereich. Als Entwicklungspartner der Industrie sieht sich das Holzwerk Rockenhausen von jeher seinen Kunden verpflichtet individuelle Lösungen zu entwickeln. „Wood is our passion. Taylor made in Germany“ steht als Slogan über der Intention für jeden Möbel- und Küchenhersteller die maßgeschneiderte Innenausstattung zu kreieren.

Kurzbeschreibung Dittrich: Als Teil der TWE Group fertigt die J.Dittrich & Söhne Vliesstoffwerk GmbH hochwertige Nonwoven Produkte aus Naturfasern wie etwa Kenaf, Hanf oder Flachs sowie aus Viskose oder synthetischen Fasern. Das Ergebnis der engen Zusammenarbeit mit Kunden und Kooperationspartnern sind stets neue Produkte, die aus der unendlichen Einsatzvielfalt von Vliesstoffen schöpfen und den heutigen Anforderungen auf höchstem Qualitäts-Niveau gerecht werden. Ob Standardproduktlinie oder Sonderlösungen – J.Dittrich & Söhne Vliesstoffwerk GmbH entwickelt und fertigt passgenau nach Kundenwünschen.

Kontakt IVW:
Dr.-Ing. Florian Gortner
Verarbeitungstechnik
Tel. 0631 2017 439
E-Mail: florian.gortner@ivw.uni-kl.de

Abbildung 1: Schiebedachrahmen aus Naturfasern, Mercedes E-Klasse, Hersteller IAC, 2016 (https://www.automobil-industrie.vogel.de/schiebedachrahmen-aus-naturfaser-a-528220/)

Abbildung 2: Räumliche Nähe der Partnerfirmen, erstellt mit www.geoportal.rlp.de

Abbildung 3: Schubladeneinsatz aus OrganiQ und Räuchereiche (https://www.rockenhausen.com/produkte/organiq/)