Mechanische Charakterisierung von recyceltem Kohlenstoffstapelfasergarn für lasttragende Anwendungen

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Die Verwendung von faserverstärkten Bauteilen für Leichtbaukonstruktionen hat in den letzten zehn Jahren stark zugenommen. Die jährlich steigende Abfallmenge führt jedoch zu einem wachsenden Bedarf an der Entwicklung neuer Technologien für das Recycling und die Wiederverwendung von Kohlenstofffasern. Um ökologische und ökonomische Ziele zu erreichen, muss ein „Upcycling“ von End-of-Life Bauteilen und Produktionsabfällen zu Strukturbauteilen erreicht werden. Das Recycling von kohlenstofffaserverstärkten Kunststoffen (CFK) stellt eine Herausforderung dar, sowohl was die Isolierung der Fasern von der Matrix als auch die Wiederverwendung der erhaltenen Fasern in einer technischen oder konstruktiven Anwendung betrifft. Die Entwicklung von Komponenten mit Endlosfaserverstärkung wie bei Bauteilen aus Neufasern ist aufgrund der Schneidprozesse im Recyclingprozess (verkürzte Fasern) nicht mehr möglich. Die verkürzten rezyklierten Kohlenstofffasern (rCF) müssen stattdessen zu Halbzeugen wie Geweben oder Vliesstoffen verarbeitet werden. Eine andere Möglichkeit besteht darin, sie zu einem kontinuierlichen Stapelfasergarn (Roving) zu verzwirnen. Ein kommerziell erhältliches Produkt ist ein rCF-Roving der Wagenfelder Spinnerei GmbH (Deutschland). Dieses Produkt (siehe Abbildung 1) zeichnet sich durch die Fixierung mit einem Bindegarn und die Variation der Faserzusammensetzung durch Zugabe von PA 6-Fasern in den Roving aus (von 30/70 % (rCF/PA6) bis zu 90/10 %). In früheren Projekten wurde der rCF-Roving unter Verwendung einer biobasierten Matrix zu Bauteilen weiterverarbeitet. Durch den Einsatz dieses Harzes, das zu 40 % aus nachwachsenden Rohstoffen besteht, konnte der ökologische Fußabdruck der hergestellten Bauteile weiter reduziert werden. Neben den Umweltaspekten muss jedoch auch die mechanische Leistungsfähigkeit des Werkstoffs für den industriellen Einsatz gewährleistet sein.

Verschiedene Tests an unidirektionalen Bauteilen aus rCF-Rovings zeigen eine gute mechanische Leistungsfähigkeit des Materials. So liegen beispielsweise die Zugeigenschaften parallel zur Faserorientierung nahe bei denen von Bauteilen aus Neufasern. Mit einem Elastizitätsmodul von > 100 GPa ist es möglich, lasttragende Strukturen zu konstruieren. Ein „Upcycling“ der recycelten Kohlenstofffasern ist somit möglich. Auch die Festigkeit von 850 MPa und die Bruchdehnung von 1 % sind vergleichbar mit konventionellen C-faserverstärkten Verbundwerkstoffen.

Neben der mechanischen Performance ist jedoch auch das Schädigungsverhalten ein wichtiger Aspekt für die Bauteilauslegung. Die Charakterisierung der mechanischen Eigenschaften durch standardisierte Tests (Zug, Druck, etc.) ist gut etabliert. Komplexere Tests müssen durchgeführt werden, wenn das Schädigungsverhalten analysiert werden soll. In-situ-Röntgenmikroskopie-Experimente sind in diesem Fall eine hervorragende Methode, um mechanische Tests durchzuführen und strukturelle Veränderungen während der mechanischen Belastung zu erfassen. Insbesondere für rCF-Fasern kann dies ein wichtiger Informationsgewinn sein, z.B. über die genaue Faserorientierung, die Rissinitiierung und –ausbreitung sowie das Auszugs- und Nachversagensverhalten. Solche Untersuchungen werden am IVW mit dem Röntgenmikroskop Zeiss Xradia 520 mit Hilfe der In-situ Testvorrichtung Deben CT 5000 durchgeführt. (Abbildung 2). In Querzugversuchen an rCF-Proben konnte ein gutmütiges Versagensverhalten festgestellt werden, da einzelne Faserstränge den entstandenen Riss überbrücken und somit zu einem strukturellen Zusammenhalt der Probe nach dem Versagen führen (Abbildung 3).

Zukünftig sind weitere Untersuchungen zur Verarbeitung, zur mechanischen Performance und zum Versagensverhalten geplant, um die Verwendbarkeit, die Verarbeitbarkeit und den Einsatz von recycelten Kohlestoffasern in lasttragenden Bauteilen weiter voranzutreiben und damit zum Erreichen globaler ökologischer und ökonomischer Ziele beizutragen.

Kontakt:

Christian Becker, M.Sc.
Bauteilentwicklung
Leibniz-Institut für Verbundwerkstoffe GmbH
Erwin-Schrödinger-Str. 58
67663 Kaiserslautern
E-Mail: christian.becker@ivw.uni-kl.de
Telefon: +49 631 2017 206

(a) trockener rCF-Roving mit Umwindegarn; (b) Schliffbild der imprägnierten Platte

Röntgenmikroskop Zeiss Xradia 520 Versa mit In-situ Modul Deben CT 5000 und verwendete Probengeometrie

3D-Rendering-Bild der versagten rCF-Probe aus den In-situ Versuchen; rissüberbrückende Fasern sind erkennbar