Integrale Schaumbauweise für Kabinenbauteile

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Kabinenverkleidungen in Verkehrsflugzeugen bestehen aktuell aus duroplastischen Sandwichbauteilen mit Glaswollpaketen zur akustischen und thermischen Isolation. Bei der Sandwichherstellung werden zwei duroplastische Decklagen und ein Aramid-Wabenkern in einem isothermen Pressprozess gefügt und ausgehärtet. Aufgrund der Struktur des Kerns muss die Bauteiloberfläche kabinenseitig aufwändig in Schleif- und Spachtelprozessen nachbearbeitet werden, um eine glatte Oberfläche ohne Wabenabzeichnungen und Defekte zu erzielen. Durch das Aufbringen einer Dekorfolie wird die gewünschte Oberflächenoptik und –haptik erzeugt. Anschließend wird auf der Bauteilrückseite ein Glaswollpaket aufgebracht; dadurch werden die nötigen akustischen und thermischen Isolationseigenschaften gewährleistet. Die Rumpfstruktur ist ebenfalls mit Glaswollpaketen ausgestattet. Zwischen diesen beiden Isolationspaketen sind verschiedene Anbausysteme wie zum Beispiel Luftkanäle oder elektrische Leitungen verlegt. Während des Reiseflugs liegt der Taupunkt im Bereich der Isolierpakete, sodass es hier bei ungünstigen Bedingungen zur Bildung von Kondenswasser kommen kann. Dieses lagert sich in den Isolationspaketen ab, erhöht somit das Gewicht und es besteht die Gefahr der Schimmelbildung.

Im Rahmen des Luftfahrtforschungsprojekts SOPHIA – Smarte Prozesse und optimierte Bauweisen für hohe Fertigungskadenzen (Förderkennzeichen 20X1715D) arbeitet ein Team aus zwei Unternehmen und vier Forschungseinrichtungen an der Weiterentwicklung der Bauweisen und Fertigungstechnologien für Kabinenbauteile. Aufgrund der hohen Prozesszeit und des Nacharbeits-, Montage- sowie Wartungsaufwands soll die duroplastische Bauweise in eine thermoplastische mit hohem Integrationsgrad überführt werden. Der Einsatz von Thermoplasten bietet gegenüber duroplastischen Polymeren verschiedene Vorteile. Durch die Möglichkeit des mehrfachen Aufschmelzens des Polymers lassen sich zunächst Halbzeuge herstellen, die unbegrenzt gelagert, in Pressprozessen umgeformt und simultan oder in einem weiteren Prozessschritt mit dem Partikelschaum gefügt sowie dekoriert werden können. Der Einsatz von thermoplastischen Partikelschäumen kombiniert das Leichtbaupotential der Schaumsysteme mit der Integration von Anbauteilen, beispielsweise Isolationspaketen oder Luftkanälen. Dabei wird die Isolationswirkung durch das Schaumpaket erzeugt, die Ausführung von Kanälen erfolgt über die Auslegung des Schäumwerkzeugs.

Die Kombination der Partikelschaumtechnologie mit Verarbeitungsprozessen wie dem Heißpressen oder Thermoformen ermöglicht die effiziente Herstellung von thermoplastischen Sandwichstrukturen in nahezu beliebiger Geometrie.

Speziell der Thermoformprozess zeichnet sich durch kurze Zykluszeiten mit hohen Heiz- und Kühlraten aus, bei dem thermoplastische Halbzeuge effizient umgeformt werden können. Bei diesem Prozess wird das Halbzeug durch ein Infrarot-Strahlerfeld auf Prozesstemperatur gebracht und im kalten Werkzeug umgeformt. Durch den Einsatz rein thermoplastischer Komponenten kann der Umform-, Füge- und Dekorierprozess simultan erfolgen und verringert somit die Herstellungsdauer der Komponenten.

Am IVW werden im Rahmen des Luftfahrtfoschungsprojekts SOPHIA die Herstellung von flammgeschützten thermoplastischen Decklagen sowie der Umform- und Fügeprozess mit der Schaumstruktur untersucht. Bei der Auswahl der eingesetzten Polymere gilt es, neben den Gewichtsanforderungen auch die Einhaltung der Flame-, Smoke- und Toxicity-Vorschriften zu beachten. Zudem wurden ausführliche Untersuchungen zur Matrixkompatibilität und Prozessparameterauswahl durchgeführt. Aktuell liegt der Fokus auf der Untersuchung des Verhaltens von inhärent flammgeschützten, offenporigenthermoplastischen Schaumsystemen im Heizpressprozess. Durch die Verhautung der Oberfläche in der Kontaktzone zwischen Schaum und Werkzeug entsteht eine Mikrosandwichstruktur innerhalb des Materials. Dabei soll der Einfluss von Werkzeugtemperatur, Presskraft und Haltezeit auf die Kompaktierung und Dicke der entstandenen Polymerschicht untersucht werden.

Die Prozessgestaltung und –optimierung geschieht in enger Zusammenarbeit mit der Neue Materialien Bayreuth GmbH, wo die Arbeiten zur Weiterentwicklung von Partikelschäumen laufen und deren Verarbeitung sowie Eigenschaften untersucht und optimiert werden.

Projektpartner/Partner:

  • Diehl Aviation GmbH
  • Fraunhofer-Institut für Bauphysik
  • Institut für Flugzeugbau, Universität Stuttgart
  • Institut für Verbundwerkstoffe GmbH
  • Neue Materialien Bayreuth GmbH
  • Amphenol-Air LB GmbH

Das Projekt “SOPHIA – Smarte Prozesse und optimierte Bauweisen für hohe Fertigungskadenzen" wird durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) auf Grundlage einer Entscheidung des deutschen Bundestages finanziert (im Rahmen des Luftfahrtforschungsprogramms V-3, Förderkennzeichen 20X1715D).

Weitere Informationen:
Dipl.-Ing. Maximilian Salmins
Institut für Verbundwerkstoffe GmbH
Press- & Fügetechnologien
Erwin-Schrödinger-Straße 58
67663 Kaiserslautern
Telefon: +49 631 2017-340
E-Mail: maximilian.salmins@ivw.uni-kl.de

Abbildung 1: Front und Rückseite einer Kabinenseitenwand. Quelle: Diehl Aviation GmbH

Abbildung 2: Schematische Darstellung des Thermoformprozesses zur Herstellung von Halbsandwichstrukturen

Abbildung 3: Oberfläche verhauteter Schaum und Ausgangsmaterial