Hochleistungs-SMC mit Kohlenstofffasern - Digitalisierung und Simulation

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Bei der Verarbeitung von Faser-Kunststoff-Verbunden (FKV) sind genaue Kenntnisse der Produktionsabläufe zur Prozessregelung und Qualitätskontrolle von großer Bedeutung, um Nacharbeiten und Ausschuss zu vermeiden. Aus diesem Grund werden die verarbeitenden Maschinen mit komplexen Sensorsystemen zur Überwachung der verschiedensten Prozessparameter, wie z. B. Temperaturen, Drücke oder Prozessgeschwindigkeiten, ausgestattet. Für eine Aussage über die Eigenschaften des finalen Bauteils sind aber vor allem die lokalen Materialeigenschaften, wie z. B. Harz-/Matrixzusammensetzung, Porengehalt, Fasergehalt, -verteilung und -orientierung relevant. Diese Arbeit zeigt am Beispiel eines kohlenstofffaserverstärkten Sheet Molding Compounds (C-SMC), einer duroplastischen Fließpressmasse, wie bereits während der laufenden Halbzeugproduktion Informationen über die lokale Faserorientierung gesammelt werden und so ein erstes digitales Abbild des entstehenden Halbzeugs erstellt werden kann. Die Informationen des digitalen Abbilds können zur Qualitätsbeurteilung aber auch zur Echtzeit-Prozessregelung eingesetzt werden. Zudem kommen sie im späteren Verlauf als Eingangsinformation für Simulationen zum Tragen und dienen damit der Beurteilung der mechanischen Eigenschaften der produzierten Bauteile.

Digitalisierung eines C-SMC Halbzeugs während der Fertigung

Abb. 1 zeigt den schematischen Aufbau einer Standardproduktionslinie für SMC-Halbzeuge. Im ersten Schritt wird ein Harzsystem auf eine Trägerfolie (1) aufgetragen, bevor ein Schneidwerk (2) geschnittene Kohlenstoff- oder Glasfasern mit einer vordefinierten Länge auf dem Harz und der Trägerfolie aufstreut. Nach dem Durchlaufen einer Walkstrecke wird das fertige Halbzeug aufgerollt und zur anschließenden Reifung eingelagert.

Für ein erstes digitales Abbild des C-SMC Halbzeugs soll die Faserorientierung in Echtzeit während der laufenden Produktion erfasst werden. Am Leibniz-Institut für Verbundwerkstoffe (IVW) wird dafür ein optisches Bilderfassungssystem, die sogenannte Polarisationsbildgebung, eingesetzt. Hierbei wird die polarisierende Eigenschaft der Oberfläche von Kohlenstofffasern auf einfallendes unpolarisiertes Licht ausgenutzt. Eine Polarisationskamera erfasst das reflektierte polarisierte Licht und in einem folgenden Digitalisierungsprozess werden Faserorientierungsinformationen aus den Rohdaten interpretiert. Um einen klaren, ebenen Blick auf die aufgestreuten Fasern zu gewährleisten, wird die Polarisationskamera (3) direkt hinter dem Schneidwerk positioniert. Die Kamera erstellt Aufnahmen des Materials im Blickfeld in definierten Zeitintervallen und erzeugt so einen Bildstapel. Diese Aufnahmen werden zu einem kontinuierlichen Gesamtbild der Halbzeugrolle (4) zusammengefügt.

Postprocessing des digitalen Abbilds

Die von der Kamera erfassten Rohdaten werden von der systemeigenen Auswertesoftware direkt in die erforderlichen Bildkomponenten Lichtintensität, Grad der linearen Polarisation (DOLP) und Winkel der linearen Polarisation (AOP) umgewandelt. Dieser Kameradatensatz durchläuft eine Kombination aus unterschiedlichen Softwarekomponenten, um die gewünschten Faserorientierungsinformationen zu extrahieren. Für eine vereinfachte Erklärung zeigt Abb. 2 den Ablauf der Extraktion am Beispiel eines bereits verpressten C-SMC Prüfkörpers. Mit Hilfe der Bildkomponenten Lichtintensität und DOLP können alle Bereiche der Aufnahme ausmaskiert werden, die nicht polarisieren (und damit nicht zu den Fasern gehören) oder die Bildfehler, wie z. B. durch Überbelichtung, aufweisen. Das Ergebnis ist ein erstes Abbild a), welches den Faserorientierungswinkel in der Bildebene der Aufnahme in Graustufen visualisiert. Zur einfacheren Analyse durch das menschliche Auge kann eine Einfärbung b) erfolgen. Das erste Ziel ist die Beurteilung der Faserverteilung und sich damit ggf. ausbildende anisotrope Eigenschaften. Neben der visuellen Auswertung von interessanten Bereichen (ROI) in a) und b), um z. B. Gebiete identischer Faserorientierung zu identifizieren, erfolgt die Erstellung von Histogrammen c), in denen bevorzugte Faserorientierungen sofort identifiziert werden können. Diese Histogramme lassen eine sofortige Beurteilung der Anisotropie eines ROI zu. Soll das digitale Abbild als Grundlage für Berechnungen und Simulationen dienen, sind Angaben zum Faserorientierungswinkel nicht ausreichend. Viele Berechnungen nutzen daher als Grundlage den Faserorientierungstensor (FOT). Beim FOT handelt es sich um einen symmetrischen Tensor 2. Ordnung, der eine Wahrscheinlichkeitsverteilung der Faserausrichtung in einem kleinen Volumen beschreibt. Über die Eigenwerte und –vektoren des FOT können die Hauptfaserrichtungen bestimmt werden. Da es sich beim FOT um eine Wahrscheinlichkeitsverteilung handelt, reicht die Angabe des Faserorientierungswinkels in einem Bildpixel nicht zur Bestimmung aus. Aus diesem Grund wird ein Raster d) auf der Bildebene erzeugt und durch Auswertung der Bildpixel jeder Gitterzelle ein FOT ermittelt. In e) ist der FOT jeder Gitterzelle als Ellipsoid dargestellt. In dieser Darstellung kann die Ausrichtung und der Anisotropiegrad an jeder Stelle der Messfläche direkt beurteilt werden.

Faserorientierung in der Fließpresssimulation

Ein Ziel des digitalen Abbilds einer C-SMC Halbzeugrolle ist die Nutzung als Eingangsinformation für eine folgende Prozesssimulation des Fließpressprozesses (Abb. 3). Nach Durchlaufen des Digitalisierungsprozesses können die FOT-Informationen an jeder beliebigen Position extrahiert werden und so ein digitales Zuschnittpaket als Einlage erstellt werden. Dabei können die FOT des Zuschnitts auf die einzelnen Elemente des FE-Netzes oder als homogenisierter Durchschnittswert auf das gesamte FE-Netz übertragen werden. Hierfür sind keine Neuentwicklungen im Bereich der Simulationsansätze erforderlich, da viele Simulationsansätze zur Berechnung der Faserorientierungsentwicklung bereits auf einem makroskopischen Modell (nach Folgar und Tucker) basieren und somit direkt mit FOT-Informationen arbeiten. Schlussendlich können die FOT-Ergebnisse der Simulation des Pressprozesses wiederum an das nächste Glied der digitalen Prozesskette weitergegeben werden, typischerweise die Verzugs- oder Struktursimulation. So entsteht eine durchgängige digitale Prozesskette auf Basis real erfasster Daten aus der Halbzeugherstellung.

Danksagung

Dieses Projekt wird vom Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik (ITWM) im Rahmen des Leistungszentrum Simulations- und Software-basierte Innovation unterstützt.

Dominic Schommer, M.Sc.
Wiss. Mitarbeiter Prozesssimulation

Leibniz-Institut für Verbundwerkstoffe GmbH
Erwin-Schrödinger-Str. 58
67663 Kaiserslautern
Telefon: +49 (0) 631/2017-151
E-Mail: dominic.schommer@ivw.uni-kl.de

Dr. Miro Duhovic
Kompetenzfeldleiter Prozesssimulation

Leibniz-Institut für Verbundwerkstoffe GmbH
Erwin-Schrödinger-Str. 58
67663 Kaiserslautern
Telefon: +49 (0) 631/2017-363
E-Mail: miro.duhovic@ivw.uni-kl.de

Produktionsschritte der Herstellung eines C-SMC Halbzeugs

Verarbeitungsprozess des digitalen Abbilds. a) Aus den Rohdaten (Intensität, DOLP, AOP) erstelltes digitales Abbild mit Darstellung des Faserorientierungswinkels in Graustufen. b) Einfärbung des digitalen Abbilds zur besseren Visualisierung c) Histogramm zur Beurteilung der Anisotropie. d) FE-Modellauflösung Rasterung als Grundlage zur Bestimmung der Faserorientierungstensoren. e) Darstellung der Faserorientierungstensoren

Simulation des Fließpressens am Beispiel eines Kfz-Heckspoiler mit Extraktion der Faserorientierungstensoren aus den Simulationsdaten