Heißpresssimulation von thermoplastischen Schäumen

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Im Rahmen des Luftfahrtforschungsprojekts SOPHIA (Smart Processes and Optimized Designs for High Production Cadences) wurden das Verhalten und die Verhautung offenporiger Thermoplastschäume im Heißpressprozess untersucht. Unter Verhautung wird hierbei die thermoplastische Verdichtung des Schaums zu einer geschlossenen Haut im oberflächennahen Bereich verstanden. Finale Haut- und Gesamtdicken des Schaums sollten mittels Prozesssimulation vorhergesagt werden, um anschließend mit analytischen Berechnungen auf die mechanischen Eigenschaften der fertigen Sandwichstruktur schließen zu können.  

Materialcharakterisierung

Variierende Lasten sowie das Aufheizen und Abkühlen im Heißpressprozess machen es notwendig, Druckspannungen im Thermoplastschaum sowohl dehnungs- als auch temperaturabhängig beschreiben zu können. Verfügbare Materialmodelle für Schäume in kommerziellen FE-Softwaretools können zwar das komplexe Kompaktierungsverhalten abbilden, erlauben jedoch keine temperaturabhängige Beschreibung der elastischen und plastischen Verformung. Ziel ist es, ein Materialmodell aufzubauen, das die temperaturbedingte Hautbildung in der Schaumrandschicht und die Kompaktierung des Schaumkerns darstellen kann. Hierzu wurden mehrere Thermoplastschaummaterialien herangezogen und deren Verhalten in isothermen Kompaktierungsversuchen analysiert. Untersucht und verglichen wurden dabei Materialeigenschaften von verschiedenen Polymeren (Polyetherimid PEI und Polyethersulfon PESU) und Schaumdichte (40, 50 und 110 kg/m³) in Abhängigkeit von Kompaktierungsgeschwindigkeiten (1 und 10 mm/min) und Temperatur (23 bis 245°C). In Charakterisierungssimulationen wurden anschließend die ermittelten Spannungs-Dehnungs-Kurven reproduziert, um kalibrierte Materialparameter für die Heißpresssimulation zu erhalten.

Modellierung

Für die genaue Simulation des Heißpressprozesses ist nicht nur das Materialmodell von großer Bedeutung, sondern auch die Wahl der Modellierungsmethode. Durch die Verhautung des Schaums während des Prozesses entstehen lokal starke Deformationen, die von der Modellierungsmethode dargestellt werden müssen. Deshalb wurde zunächst ein Vergleich der Modellierungsmethode mit Solid-Elementen, Shell-Elementen und mit der SPH-Methode (Smooth Particle Hydrodynamics) in LS-DYNA® durchgeführt. Eine Modellierung mit Shell-Elementen erwies sich hierbei als zweckmäßig (Siehe Abbildung 1).

Für den Aufbau der Simulation in LS-DYNA® werden zunächst Hexaeder-Solid-Elemente in einer gewünschten Bauteil- oder Probengeometrie erzeugt. Aus den Oberflächen der Solid-Elemente werden anschließend Shell-Elemente erstellt, sodass sechs Elemente jeweils eine hohle, würfelförmige Wabe bilden. Die Dicke der Shell-Elemente wird in Abhängigkeit der Materialdichte so gewählt, dass die Masse des FE-Modells der realen Schaummasse entspricht. Da das FE-Modell nicht auf mikroskopischer Ebene aufgelöst ist, entspricht die Dicke der Shell-Elemente nicht der Wanddicke der Schaumporen, sondern unterscheidet sich um einige Größenordnungen in Abhängigkeit der Diskretisierung.

Die Materialparameter werden für jede untersuchte Temperatur aus den isothermen Kompaktierungsversuchen in einem Fittingverfahren mit der Optimierungssoftware LS-OPT® kalibriert. Hierbei werden relevante Parameter wie Druckmodul und Fließspannung an LS-OPT®  übergeben und mit einem polynomischen Metamodell so optimiert, dass die mittlere quadratische Abweichung zwischen simulierter und experimenteller Spannungs-Dehnungs-Kurve minimiert wird. 

Das reale Schaumverhalten wird schließlich durch das Zusammenspiel der Diskretisierung und der kalibrierten Materialparameter beschrieben. In nicht-isothermen Simulationen kann mit dem kalibrierten FE-Modell das Kompaktierungsverhalten thermoplastischer Schäume im Heißpressprozess dargestellt werden. (Abbildung 2).

Fazit

Ein Modellierungsansatz mittels Shell-Elementen erwies sich als zweckmäßige Methode, um das Kompaktierungsverhalten thermoplastischer Schäume zu simulieren, insbesondere im Hinblick auf die auftretenden großen plastischen Verformungen. Durch die Verwendung eines temperaturabhängigen Materialmodells ist es möglich, den nicht-isothermen Heißpressprozess zu simulieren. Mit den Erkenntnissen aus der Simulation können letztlich die mechanischen Eigenschaften der im Heißpressprozess hergestellten Sandwichstruktur berechnet werden.

Das Projekt “SOPHIA – Smarte Prozesse und optimierte Bauweisen für hohe Fertigungskadenzen" wird durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), auf Grundlage einer Entscheidung des deutschen Bundestages, finanziert (im Rahmen des Luftfahrtforschungsprogramms V-3, Förderkennzeichen 20X1715D).

Weitere Informationen:

Dipl.-Ing. Stefano Cassola
Wiss. Mitarbeiter Prozesssimulation
Leibniz-Institut für Verbundwerkstoffe GmbH
Erwin-Schrödinger-Straße 58
67663 Kaiserslautern
Telefon: +49 631 2017-268
E-Mail: stefano.cassola@ivw.uni-kl.de

 

Abbildung 1: Vergleich der Modellierung einer runden Schaumprobe im isothermen Kompaktierungsversuch mit Shell-, Solid- und SPH-Elementen inklusive Ergebnisse bei 210°C, 217°C, 225°C und 235°C.

Abbildung 2: Schaummodell im nicht-isothermen Heißpressprozess mit dargestellter Temperaturverteilung.