Harztransferpressen – Eine neuartige Kohlenstofffaser-Recyclingstrategie für die Automobilindustrie

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Eine der aktuell größten Herausforderungen der Gesellschaft ist der Schutz des Klimas. Um dieses Ziel voranzutreiben, gibt der Gesetzgeber immer strengere CO2-Emissionsziele für die Automobilindustrie vor und drängt auf sparsame Antriebe. Die konsequente Umsetzung von Leichtbaulösungen liefert hierzu einen wertvollen Beitrag, der unabhängig vom Antriebskonzept eine Möglichkeit ist, Mobilität umweltfreundlicher zu gestalten. So können nach aktuellem Stand pro 100 kg gespartem Fahrzeuggewicht bis zu 10 g CO2/km eingespart1 werden.

Um das Fahrzeuggewicht zu reduzieren, werden immer öfter hochleistungsfähige Faser-Kunststoff-Verbunde (FKV) als Material eingesetzt. Insbesondere mit Kohlenstofffasern verstärkte Kunststoffe (CFK) sind dabei den meisten Metallen überlegen und erfreuen sich einer seit Jahren steigenden Nachfrage. Neben der hohen mechanischen Leistungsfähigkeit und der niedrigen Dichte bringt CFK jedoch auch Nachteile mit sich, allen voran ein hoher Preis und eine anspruchsvolle Verarbeitung. Bei der Herstellung von CFK-Bauteilen fallen außerdem bis zu 40 %2 der wertvollen Kohlenstofffasern (CF) als Produktionsabfall an, beispielsweise als Verschnitt, wenn CF-Gewebe auf die Bauteilgeometrie zugeschnitten werden müssen.

Diese noch trockenen, also noch nicht mit Harz benetzten Fasern, weisen zwar das gleiche mechanische Potential wie Neufasern auf, sind aber aufgrund der aktuellen Marktsituation nur schwer zu monetarisieren und müssen daher in der Regel als Sonderabfall teuer entsorgt werden.

Dieses Problem soll durch das Forschungsprojekt rCF-Mobil gelöst werden, indem diese Faserverschnittabfälle in neuartigen und fortschrittlichen Prozesstechnologien erneut als Faserverstärkung in duroplastischen FKV-Prozessen zum Einsatz kommen. Dadurch soll nicht nur eine deutliche Verbesserung der Kostenstruktur bei der Herstellung von FKV-Bauteilen erreicht, sondern auch der Materialkreislauf geschlossen werden.
Hierzu wird ein neuartiger und ganzheitlicher Ansatz zum Recycling der Kohlenstofffasern in Kombination mit einem am Institut für Verbundwerkstoffe (IVW) speziell modifizierten Harzsystem untersucht und in einem industrienahen Prozess umgesetzt. Der Projektpartner Wagenfelder Spinnereien GmbH entwickelt recycelte Kohlenstofffaser-Vliese (rCF-Vliese), die dann am IVW mit Harz übersättigt werden. Die so entstehenden lagerfähigen Halbzeuge (Zwischenprodukte) werden dann  in einem neuartigen Harztransferpress-Prozess (HTP) genutzt, um ebenfalls aus Faserverschnitt hergestellte rCF-Gewebe (Fa. Gustav Gerster GmbH & Co. KG) zu imprägnieren, also mit Harz zu tränken. Dabei wird das überschüssige Harz aus dem Vlies in das Gelege gepresst und der gesamte Aufbau konsolidiert, um das CFK-Bauteil herzustellen.

Durch die zu entwickelnden Verarbeitungsprozesse und -routen sollen CFK-Bauteile gefertigt werden, welche bis zu 100 % mit recycelten Kohlenstofffasern verstärkt und damit besonders umweltfreundlich sind. Als Grundmaterial kommen dabei Verarbeitungsabfälle des Projektpartners ACE Advanced Composite Engineering GmbH zum Einsatz. Das langfristige Ziel ist die abfallfreie Produktion von CFK-Bauteilen durch einen geschlossenen Recycling-Kreislauf.

1Ernst, C. S. et al.: CO2-Emissionsreduktion bei PKW und leichten Nutzfahrzeugen nach 2020. Abschlussbericht, 2014, Aachen.

2 Hohmann, A. et al.: MAI ENVIRO, Vorstudie zur Lebenszyklusanalyse mit ökobilanzieller Bewertung relevanter Fertigungsprozessketten für CFK-Strukturen. Abschlussbericht, 2015, Stuttgart.

 

Kohlenstofffaser-Verschnitt aus der Herstellung von CFK-Bauteilen (© ACE GmbH)

Verarbeitung von recycelten Kohlenstofffaser-Vliesen im industrienahen Pressprozess.

Detailaufnahme eines Musterbauteils aus recycelten Kohlenstofffasern.