Epoxidharzsysteme für den Einsatz in neuartigen additiven Fertigungsverfahren für Faser Kunststoff-Verbunde

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Kohlenstofffaserverstärkte Kunststoffe mit duroplastischer Matrix finden aufgrund ihres Leichtbaupotentials insbesondere im Transportwesen zunehmend Anwendung. Das Nassfaserlegen (NFL), das derzeit im Rahmen einer interdisziplinären Nachwuchsforschungsgruppe am Leibniz-Institut für Verbundwerkstoffe (IVW) entwickelt wird, stellt ein neuartiges additives Fertigungsverfahren zur Herstellung von Faser‑Kunststoff‑Verbunden dar. Dabei wird ein Roving (Faserbündel) mit einem bei Raumtemperatur flüssigem Epoxidharzsystem imprägniert und durch eine spezielle Anordnung von angetriebenen Walzen (Ausnutzung von Seilreibungseffekten) transportiert. Anschließend wird der getränkte Roving in einem Werkzeug nach und nach schichtweise abgelegt. Auf diese Weise können sowohl gerade als auch gekrümmte Bahnen abgelegt werden. Durch einen abschließenden Pressprozess kann der Duroplast unter Wärmeeinwirkung vernetzen. Im Rahmen der Forschergruppe werden Prozesstechnologien, Designmethoden und Materialien simultan entwickelt, um eine bestmögliche Abstimmung zu erreichen.

Hinsichtlich der eingesetzten Materialien ist eine der größten Herausforderungen die Entwicklung einer Rezeptur für ein Epoxidharzsystem, das die sehr spezifischen Verarbeitungsanforderungen erfüllt. Die Harzformulierung soll dabei einerseits eine niedrige Viskosität während der Imprägnierung und eine lange Topfzeit bei Raumtemperatur aufweisen. Andererseits sollen die imprägnierten Rovings nach Ablage ausreichend stabilisiert werden, um nachträgliche Verschiebungen im Pressprozess zu vermeiden. Im finalen Bauteil müssen gute mechanische bzw. thermische Eigenschaften erreicht werden, um die im Bereich Mobilität und Transport typischen Anforderungen zu erfüllen.

Um den Prozessanforderungen zu entsprechen, soll das Harzsystem bei Raumtemperatur im ersten Härtungsschritt bei niedriger Temperatur so vorvernetzt werden, dass sich im Pressprozess im zweiten Härtungsschritt eine minimale bzw.  keine relevante Viskositätsänderung ergibt. Das heißt, das Material soll nach dem ersten Härtungsschritt bereits hinreichend fest werden und im Pressprozess im zweiten Härtungsschritt vollständig aus- bzw. nachgehärtet werden, ohne dass es im Faserverbundwerkstoff zu unerwünschten Fließ- und Formänderungsvorgängen kommt. In Anbetracht der oben beschriebenen Aspekte wurde das in der Literatur bezeichnete „Dual-Curing“ bzw. „Duale Vernetzung“ als vielversprechendste Lösung ausgewählt. Als „Duale Vernetzung“ wird eine Kombination von zwei kompatiblen und gut kontrollierbaren Polymerisationsprozessen bezeichnet, die gleichzeitig oder sequentiell stattfinden [1]. Bei einer sequentiellen „Dualen Vernetzung“ wird ein stabiles aber hochverformbares Zwischenprodukt nach dem ersten Polymerisationsschritt gebildet, welches erst nach dem zweiten Polymerisationsschritt in ein Endmaterial umgewandelt wird. Zu diesem Zweck können die beiden Polymerisationsprozesse z. B. durch verschiedene Stimuli wie UV-Licht oder Wärme initiiert werden [1, 2]. In diesem Projekt werden in erster Linie Harzsysteme entwickelt, bei denen beide Polymerisationsreaktionen bei unterschiedlichen Temperaturen ablaufen [2]. In Abbildung 1 wird das DSC-Diagramm einer derzeit untersuchten Harzformulierung basierend auf einer Kombination von zwei Härtern gezeigt, bei der die beiden Polymerisationsschritte getrennt sind. Die „dual vernetzten“ Harzsysteme sind „off‑stoichiometric“ bzw. „nicht-stöchiometrisch“ [1, 2]. Sowohl die Stabilität des Zwischenprodukts als auch die Eigenschaften des Endprodukts (z. B. Glasübergangstemperatur) sind deshalb stark abhängig vom Vernetzungsgrad [1]. Eine Reihe von DSC-Messungen wurde bereits unter verschiedenen ausgewählten stöchiometrischen und nicht-stöchiometrischen Bedingungen durchgeführt, um die Trennung  der beiden Peaks zu kontrollieren und eine erste Vorhersage über die Glasübergangstemperatur zu treffen. Im nächsten Schritt werden die beiden Polymerisationsprozesse mit gängigen Methoden (DSC, FT-IR-Spektroskopie, DMA) näher untersucht und die Stabilität des Zwischenproduktes in der Realität (Ofenversuche) überprüft. Die erste Harzformulierung soll einerseits dazu dienen, ein neues „dual vernetztes“ Harzsystem zu entwickeln und die bereits in der Literatur beschriebenen Zusammenhänge noch besser zu verstehen. Andererseits soll die potentielle Umsetzung dieser Vorgehensweise in die Anwendung im NFL überprüft werden. Demzufolge soll die Topfzeit des ersten Harzsystems, die vor allem durch den ersten Härter bedingt ist, zumindest zur Herstellung einer Prüfplatte für klassische Zugversuche (300x300x2 mm3) ausreichen. Bei erfolgreichen Versuchen ist das Hauptziel, die Topfzeit der Harzformulierung immer weiter zu verlängern (z. B. durch Ersetzen des ersten Härters), was eine Herstellung von mehreren und/oder größeren Bauteilen ermöglichen würde. Zukünftig sollte ein „dual vernetztes“ Harzsystem mit zwei latenten Härtern entwickelt werden, die jedoch bei unterschiedlichen Temperaturen vernetzt werden. Dies würde eine kontinuierliche Herstellung von Bauteilen ermöglichen, was eine wichtige Voraussetzung für die potentielle Umsetzung solcher Harzsysteme in der Praxis ist.

Das Projekt „TopComposite – topologieoptimierte und ressourceneffiziente Composites für Mobilität und Transport“ wird durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert (Förderkennzeichen 03XP0259).

Projektbeirat:

  • ACE Advanced Composite Engineering GmbH
  • AVK – Industrievereinigung Verstärkte Kunststoffe e.V.
  • BMW AG
  • Centre for Advanced Composite Materials (CACM), The University of Auckland, New Zealand
  • Westlake Epoxy GmbH
  • Leibniz-Institut für Verbundwerkstoffe GmbH

Kontakt:

Anna Dlugaj, M. Sc.
Nachwuchsforschungsgruppe TopComposite
Telefon: +49 631 2017-292
E-Mail: anna.dlugaj@ivw.uni-kl.de

 

DSC-Diagramm einer derzeit untersuchten Harzformulierung