Dual-vernetzende Epoxidharzsysteme für das Nassfaserlegen und dickenadaptives Pressen

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Das in der interdisziplinären Nachwuchsforschungsgruppe „TopComposite“ am Leibniz-Institut für Verbundwerkstoffe (IVW) entwickelte Nassfaserlegeverfahren (NFL) ist ein neuartiges additives Fertigungsverfahren zur Herstellung von kohlenstofffaserverstärkten Kunststoffen mit duroplastischen Matrizes. NFL kombiniert einerseits die Elemente der etablierten Fertigungsverfahren wie Wickeln oder Pultrusion, überwindet aber deren geometrische Beschränkung der Bauteile durch die Vorteile der Programmierbarkeit von 3D-Druckern [1, 2]. Andererseits bietet NFL im Gegensatz zu Automated Fiber/Tape Placement den Vorteil kostengünstiger Anlagentechnik [2].

NFL imprägniert in-situ ein Roving (Faserbündel) mit Duroplast, transportiert das imprägnierte Roving durch eine spezielle Anordnung von angetriebenen Walzen („Euler‑Eytelwein‑Einheit”), schneidet es und legt es nach und nach auf einem Werkzeug ab. Das hergestellte Prepreg wird durch das Aufbringen von zwei zusätzlichen Schichten in der Mitte der Probenoberseite mit unterschiedlichen Dicken versehen und durch den abschließenden Pressvorgang unter Wärmeeinwirkung in einem Elastomer-Metallwerkzeug ausgehärtet, um ein dickenadaptives Pressen zu realisieren.  Der Presswerkzeugaufbau ist in Abbildung 1 dargestellt. Die Dickenunterschiede im finalen Bauteil werden nach dem Pressen gemessen, um die Effizienz des Prozesses zu überprüfen [1, 2]. Neben der Fertigungs- und Presstechnologie muss auch die Viskosität des Harzes an den Gesamtprozess angepasst werden.

Die Viskosität des Harzes muss hinreichend gering und im Idealfall bei Raumtemperatur während der Imprägnierung und Verarbeitung am NFL konstant sein, um eine gute Benetzbarkeit der Formen zu gewährleisten sowie Lufteinschlüsse, ungleichmäßige Harzverteilung und geschwächte Strukturen zu vermeiden; die Anforderungen entsprechen denen beim Wickeln [3]. Die anschließende einstellbare Viskositätsabnahme während des Pressvorgangs mittels dickenadaptivem Pressen ist optimal, um verschiedene Szenarien für die Dickenerhaltung in den finalen Bauteilen zu untersuchen.

Eine vielversprechende Methode zur Einstellung der individuellen Viskositätsprofile eines Harzes in verschiedenen Verarbeitungsszenarien oder zur Herstellung von Bauteilen mit komplexen Gestalten ist die sogenannte sequentielle duale Vernetzung. Diese Methode ist eine Kombination von zwei kompatiblen und gut kontrollierbaren Polymerisationsprozessen, die nacheinander stattfinden. Die Viskosität steigt während des ersten Aushärteschritts an, um ein Zwischenmaterial zu bilden. Die Viskositätsabnahme dieses Zwischenproduktes kann durch die Aktivierung des zweiten Aushärteschritts durch eine geeignete Wahl des relativen Anteils der beiden Polymerisationsprozesse maßgeschneidert werden, d.h. die verformbare Gestalt des Zwischenmaterials kann kontrolliert entweder fixiert oder durch spontane Viskositätsabnahme wieder verformt werden [4]. In diesem Verarbeitungsszenario wird das mit der NFL-Anlage hergestellte Prepreg bei niedrigen Temperaturen in den Ofen gelegt, um den ersten Aushärteschritt abzuschließen. Anschließend wird das Prepreg durch den Pressvorgang bei höheren Temperaturen weiter erhitzt, um den zweiten Aushärteschritt zu aktivieren und die gewünschte (kleinere oder größere) Viskositätsabnahme zu erzeugen. Die dickste Stelle in der Mitte des Verbundwerkstoffs war nach dem Pressen immer noch ca. 18-20 % dicker als das Basislaminat; im Vergleich dazu war die dickste Stelle vor dem Pressen ca. 30 % dicker [1, 2]. Weitere Untersuchungen zu diesem Thema sind geplant.

Das Projekt „TopComposite – topologieoptimierte und ressourceneffiziente Composites für Mobilität und Transport“ wird durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert (Förderkennzeichen 03XP0259).

Literaturverzeichnis:

[1] May, D., Eckrich, M., Dlugaj, A. M. et al., Wet fiber placement for additive manufactoring with thermoset resins. In Additive Manufactoring of Polymer-Based Composite Materials. Materials, Processes and Properties, 2024, DOI: https://doi.org/10.1016/B978-0-443-15917-6.00009-8, pp. 281 – 302.

[2] Arrabiyeh, P. A., Dlugaj, A. M., Eckrich, M. et al., Applied Composite Materials2024, 31, pp. 1237 – 1258.

[3] Shibley, A. M., Filament Winding. In Handbook of Composites; Lubin, G. (eds); Springer, Boston, MA, 1982, DOI: doi.org/10.1007/978-1-4615-7139-1_16, pp. 449 – 477.

[4] A. Belmonte, X. Fernández-Francos, Á. Serra et al., Materials and Design 2017, 113, DOI: https://doi.org/10.1016/j.matdes.2016.10.009, pp. 116 – 127.

M.Sc.

Anna Dlugaj

Wiss. Mitarbeiterin Digitalisierte Prozess- & Materialentwicklung