Digitale Prozesskette für thermoplastische Strukturbauteile mit lokalen unidirektionalen Verstärkungen für Luftfahrtanwendungen

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In den letzten Jahren wurden Zug-Druck-Streben in der Luft- und Raumfahrt häufig aus Aluminium oder in einer komplexen duroplastischen FKV-Wickelkonstruktion hergestellt, da esfür hochbelastete Bauteile aus thermoplastischen Werkstoffen keine effizienten Herstellungsverfahren gab. Neben dem Leichtbaupotenzial bieten thermoplastische Faserverbundwerkstoffe aufgrund ihrer Postforming- und Remelting-Fähigkeiten ein hohes Potenzial für eine nachhaltige Luftfahrt. Das Spritzgussverfahren bietet die Möglichkeit der Funktionsintegration, hohe Designfreiheit, hohe Produktionsraten und kurze Zykluszeiten. Allerdings sind die mechanischen Eigenschaften spritzgegossener kurzfaserverstärkter Thermoplaste schlechter als die von endlosfaserverstärkten Thermoplasten.

Im Projekt „InjectProfile“ wird deshalb der endlosfaserverstärkte Werkstoff zur optimierten Lastübertragung und der umspritzte kurzfaserverstärkte Werkstoff zur Integration von Lasteinleitungselementen eingesetzt. Auf diese Weise können lastpfad- und gewichtsoptimierte thermoplastische Bauteile in kurzen Zykluszeiten hergestellt werden, indem der endlosfaserverstärkte Werkstoff nur in Hauptlastpfaden positioniert wird, was eine kostengünstige und effiziente FKV-Konstruktion ermöglicht.

Zur Vorhersage der strukturmechanischen Eigenschaften wird eine virtuelle Untersuchung des Herstellungsprozesses mittels FEM-Analyse und Prozesssimulation durchgeführt. Zu diesem Zweck wird im Rahmen des Projekts "InjectProfile" eine digitale Prozesskette entwickelt, wie in Abbildung 1 dargestellt, die über den Fertigungsprozess hinaus auch ein strukturmechanisches Modell abbildet. Für jede Stufe der Bauteilentwicklung, von der Konstruktion über die Fertigung bis zur Qualitätsprüfung des Bauteils, werden digitale Zwillinge erstellt. Sobald das Bauteil konstruiert und die Geometrie definiert ist, kann die digitale Prozesskette in der in Abbildung 1 dargestellten Reihenfolge umgesetzt werden. Die Ergebnisse aus dem Prozesssimulationsschritt (z.B. die Faserorientierung) werden durch einen Zwischenschritt 'Mapping' auf das FE-Strukturmodell übertragen. Die 'Troubleshooting Intelligence' bildet das Bindeglied zwischen Simulation und Realität und liefert Feedback über die Qualität des Bauteils und geeignete Prozesskontrollmaßnahmen.

Die Anwendungsvorteile einer digitalen Prozesskette für Strukturbauteile in der Luft- und Raumfahrt werden am Beispiel einer Zug-Druck-Strebe (Komponenten-Ebene) demonstriert. Die entwickelte digitale Prozesskette ermöglicht eine effektive Konstruktion und Fertigung der Teile. Sie zielt auf die Schließung bestehender Lücken in der aktuellen industriellen Praxis durch Simulation und Optimierung von Produktionssystemen, um die Produktivität und Effizienz zu erhöhen. Die Ergebnisse geben Einblick in die Qualität der Produkte unter den entsprechenden Prozessbedingungen. Außerdem ermöglicht es die Bestimmung der strukturellen Integrität des Bauteils bei abweichenden Prozessparametern. Dadurch wird der Notwendigkeit umfangreicher Experimente vorgebeugt und teure Nacharbeiten an den Werkzeugen werden vermieden.

Kurzzusammenfassung: Thermoplastische Bauteile mit hohem Leichtbaupotenzial bei moderaten Kosten können durch Endlosfaserverstärkung in Kombination mit angespritztem kurzfaserverstärkten Material erzeugt werden. Die entwickelte digitale Prozesskette verknüpft für diese Bauweise die Ergebnisse aus Prozess- und Struktursimulation und kann so prozessbedingte Parameter in der Bauteilauslegung berücksichtigen. Ebenso kann der Einfluss von abweichenden Prozessparametern auf die Bauteilqualität vorhergesagt werden.

Das Projekt wird gefördert durch die Europäische Union und das Land Rheinland-Pfalz im Rahmen des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) gefördert. Zusätzlich gefördert durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) im Rahmen der Luftfahrtforschungsprogramme LUFO V-3 und LUFO 6-1 (Förderkennzeichen 20Q1724B).

Kontakt:

Nithya Sindhe Narayana Rao, M.Sc.
Wiss. Mitarbeiterin Bauweisen 

Leibniz-Institut für Verbundwerkstoffe GmbH
Erwin-Schrödinger-Str. 58
67663 Kaiserslautern
Telefon: +49 (0) 631/2017-273
E-Mail: nithya.sindhe@ivw.uni-kl.de

Dominic Schommer, M.Sc.
Wiss. Mitarbeiter Prozesssimulation

Leibniz-Institut für Verbundwerkstoffe GmbH
Erwin-Schrödinger-Str. 58
67663 Kaiserslautern
Telefon: +49 (0) 631/2017-151
E-Mail: dominic.schommer@ivw.uni-kl.de

Digitale Prozesskette, dargestellt am Beispiel eines Coupon-Zugversuchs (oben) und in der Luft- und Raumfahrt am Beispiel einer Zug-Druck-Strebe (unten)