Biobasierte Alternative zu petrochemischen ungesättigten Polyesterharzen

Aktuelles1News25

Schill + Seilacher bietet erstmals ein ungesättigtes Polyesterharz, aus mehr als 99 % nachhaltigen Rohstoffen, im industriellen Maßstab an

Ungesättigte Polyesterharze (UPR) zählen im Bereich der Faserverbundwerkstoffe zu den bedeutendsten duroplastischen Harzsystemen. Dies lässt sich durch ihren günstigen Preis, die sehr guten Verarbeitungseigenschaften und die Möglichkeit zur Anpassung der Materialeigenschaften erklären. Aktuell werden UPR in einer Polykondensationsreaktion von Carbonsäuren und Alkoholen hergestellt. Der Einsatz bio-basierter Rohstoffe in UPR scheiterte bisher an den preislichen Anforderungen der Endprodukte.

Dem Geschäftsbereich Reactive Polymers and Flame Retardants der Schill + Seilacher „Stuktol“ GmbH ist es nun erstmals - durch eine entsprechende Rohstoffauswahl und aufgrund der gesunkenen Rohstoffpreise - gelungen, ein aus mehr als 99 Gew.-% bio-basiertes Polyesterharz zu marktfähigen Preisen herzustellen. Dieses wird unter dem Markennamen Polyvertec 3830 vertrieben. Positive Rückmeldungen aus dem Endverbrauchermarkt (Automobil, Transport, Gartenbau und Landwirtschaft) sind bereits eingegangen. In diesen Bereichen wird in den nächsten 5 Jahren mit einem jährlichen Zuwachs von rund 21 % auf ca. 27,9 Mrd. USD im Bereich der Biopolymere gerechnet.

Das Harzsystem Polyvertec 3830 bietet die Möglichkeit für weitreichende kundenspezifische Modifikationen. So ist zum Beispiel eine Styrolkonzentration (Reaktivverdünner) von 0 bis maximal 40 Gew-% einstellbar. An bio-basierten Reaktivverdünnern wird zurzeit geforscht, deren Einsatz ist jedoch nicht ohne Weiteres realisierbar. Durch Beimischung von Styrol kann die Viskosität des Harzes in einem Bereich von 1 bis 260 Pa∙s eingestellt werden. Durch die Auswahl von Beschleunigern und Härtersystemen können maßgeschneiderte Systeme mit längeren oder kürzeren Verarbeitungszeiten - je nach Kundenwunsch - hergestellt werden. Der Styrolgehalt beeinflusst zudem sowohl die erreichbaren mechanischen als auch physikalischen Eigenschaften des Grundharzsystems. Bei einem Styrolanteil von 20 bis 30 Gew.-% erreicht Polyvertec 3830 einen Biegemodul > 2500 MPa und eine Biegefestigkeit 65 MPa (nach DIN EN ISO 14125). Die Glasübergangstemperatur (Tg) steigt ebenfalls mit steigendem Styrolgehalt auf bis zu 180°C bei 40 Gew.-%.

In ersten Versuchsreihen konnte die Praxistauglichkeit gezeigt werden. Hier wird Polyvertec 3830 als Matrixsystem in Kombination mit Naturfasern zur Herstellung von Schreibgeräten und Möbeln genutzt (Abbildung 1). Ebenfalls konnten Naturfaserlaminate im Handlaminier-verfahren hergestellt werden (Abbildung 2). Bei mechanischen Prüfungen konnten diese ca. 2/3 der mechanischen Kennwerte von EP-NF-Laminaten - bei gleichem Fasermassen-gehalt - erreichen.

Dem Leibniz-Institut für Verbundwerkstoffe ist es erstmals gelungen, Polyvertec 3830 in einem SMC-Halbzeug zu verarbeiten (siehe Abbildung 3). Nach Anpassung der SMC-Rezeptur konnte das Harzsystem wie ein konventionelles, petrochemisch basiertes UP-Harzsystem zu SMC-Halbzeugen und –Demonstratoren verarbeitet werden. Bei gleichen Fasermassen-gehalten erreicht das Polyvertec 3830-SMC mechanische Kennwerte, vergleichbar mit denen von konventionellen Halbzeugen auf Basis ungesättigter Polyesterharze und bio-basierten Füllstoffen. Der einzige Unterschied hat sich in der Reifedauer der Halbzeuge gezeigt. Konventionelle Halbzeuge reifen meist innerhalb von vier bis sechs Tagen. Bei Polyvertec 3830 setzt der Eindickungseffekt erst nach 14 Tagen ein.

Aufbauend auf diesen Erkenntnissen arbeitet Schill + Seilacher an einer angepassten Variante, die die Möglichkeit zur schnelleren Eindickung mittels Magnesiumoxid bietet. Weiterhin wird der Einsatz von bio-basierten Reaktivverdünnern untersucht.

Kurzbeschreibung der Projektpartner:

Schill+Seilacher „Struktol“ GmbH: Der Geschäfts­bereich Reactive Polymers and Flame Retardants von Schill+Seilacher „Struktol“ GmbH, Hamburg, entwickelt und produziert chemische Spezialprodukte wie Klebstoffzusätze, reaktive Flammschutzmittel und maßgeschneiderte Harzsysteme für Composite-Anwendungen. Dabei wird ein besonderer Fokus auf Nachhaltigkeit neuer Produkte gelegt.

Kontakt:
Dr.-Ing. Florian Gortner
Press- & Fügetechnologien
Leibniz-Institut für Verbundwerkstoffe GmbH
Erwin-Schrödinger-Straße 58
67663 Kaiserslautern
Telefon: +49 631 2017-439
E-Mail: florian.gortner@ivw.uni-kl.de

Möbel und Schreibgeräte auf Basis von Naturasern und Polyvertec 3830 (Quelle: Schill + Seilacher)

UD- und Gewebelaminate aus Flachsfaser und Polyvertec 3830 (Quelle: Schill + Seilacher

SMC-Demonstrator auf Basis Polyvertec 3830, Gesamtansicht (links) und Detail (rechts