Airpoxy - Entwicklung einer neuen Familie an Faser-Kunststoff-Verbunden

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Der Wunsch nach universell einsetzbaren Werkstoffen, die hohen Anforderungen hinsichtlich spezifischer Eigenschaften und Verarbeitbarkeit branchenübergreifend gerecht werden, besteht nicht erst seit der industriellen Revolution. Vor allem aber seit der digitalen Revolution steigt der Bedarf an Hochleistungswerkstoffen und Festigkeit. Hohe Steifigkeit, Temperatur- und Chemikalien-beständigkeit, geringe Dichte und gute Verarbeitbarkeit in etablierten Prozessen bei gleichzeitiger Reparier- und Rezyclierbarkeit der Bauteile werden beispielsweise in der Luftfahrt immer bedeutender. Mit der Einführung einer neuen Werkstoffklasse polymerbasierter Vitrimere durch Leibler et al. im Jahr 2011 sollen die genannten Anforderungen noch besser als bisher erfüllt werden. Vitrimere verknüpfen die Vorteile von Duroplasten und Thermoplasten und eröffnen Faser–Kunststoff-Verbunden (FKV) völlig neue Möglichkeiten.

Polymerbasierte Vitrimere zeichnen sich dadurch aus, dass sie unterhalb der Glasübergangstemperatur ähnlich spezifische Eigenschaften wie duroplastische Matrixsysteme haben. Oberhalb von Tg können sich die chemischen Polymerbindungen neu orientieren, wodurch eine Verarbeitbarkeit in Thermoform- und Schweißprozessen ermöglicht wird. Im Projekt AIRPOXY (www.airpoxy.eu) ist es die Aufgabe des Instituts für Verbundwerkstoffe (IVW), die Verarbeitbarkeit von kohlestofffaserverstärkten Vitrimer Kunstoffen (3R-CFK) zu erforschen und Verfahrenskonzepte für die industrielle Herstellung von Luftfahrtbauteilen zu entwickeln. Der Fokus der Forschungsarbeiten des IVW liegt in der Optimierung und Entwicklung angepasster Thermoform-, Schweiß- und Reparaturverfahren für 3R-CFK.

Die FuE-Arbeiten bei den Thermoformverfahren werden unterteilt in eine kontinuierliche und quasi statische Prozessführung. Eine kontinuierliche Prozessführung erlaubt die vollautomatisierte Fertigung von Endlosprofilen. Als Ausgangsmaterial werden imprägnierte und vernetzte Einzellagen verwendet, die, entsprechend der Zieldicke des Bauteils, gestapelt dem Pressprozess zugeführt werden. Dies ermöglicht eine hohe Gestaltungsfreiheit der Zielgeometrie, die auch hinsichtlich Dickenunterschieden senkrecht zur Prozessrichtung, ohne Änderung der Ausgangsmaterialien umgesetzt werden können. Nachdem die gestapelten Einzellagen positioniert in das Werkzeug eingeführt werden, werden sie zunächst durch Druck- und Temperatureintrag vorkonsolidiert und anschließend, entsprechend dem Intervallvorschub und der Werkzeuggeometrie, in die Zielgeometrie umgeformt. Am Ende des Prozesses wird das Endlosprofil im Kühlbereich des Thermoformwerkezuges bei simultan appliziertem Konsolidierungsdruck unter Tg gekühlt, um eine Nachverformung beim Verlassen des Thermoformwerkzeuges zu verhindern. Bei Verwendung eines ebenen Plattenwerkzeuges können im kontinuierlichen Thermoformprozess auch flache 3R-FKV Halbzeuge hergestellt werden, die aufgrund ihrer Wiederverarbeitungseigenschaften in Folgeprozessen z. B. weiter umgeformt werden können.

Komplexere 3D-Bauteilgeometien können durch einen an die 3R-CFK angepassten, quasi-statischen Thermoformprozess hergestellt werden. Nach dem Aufheizen über Tg, z. B. in einem Infrarot-Strahlerfeld folgt ein Transport zum Thermoformwerkzeug in einer Presse, die geschlossen wird und den 3R-FKV umformt. Nach dem Abkühlen unter Tg wird das Thermoformwerkzeug geöffnet und das Bauteil entnommen.

Im Projekt werden für die 3R-FKV auch die Fügeverfahren Kleben und Schweißen erforscht. Das IVW entwickelt die Anwendung des energieeffizienten und berührungslosen Induktionsschweißens als gewichtsneutrale Fügetechnik für 3R-CFK.

Durch die Eigenschaft der unbegrenzteren Wiederverarbeitbarkeit von Vitrimeren eröffnet sich auch die Möglichkeit zur einfachen Reparatur von Defekten durch eine Stimuli der Schadensstelle durch Temperatur und Druck. Dies könnte auch bei bereits verbauten Bauteilen erfolgen, womit u. a. in der Luftfahrt ein enormes Kosteneinsparpotential verbunden ist. Das IVW entwickelt mehrere Konzepte zur Reparatur verschiedener Schadensfälle, wie. Delaminationen, gelöste Schweiß- und Klebeverbindungen oder die Reparatur von Lufteinschlüssen, die z. B. beim RTM-Verfahren entstanden sind.

Weitere Forschungsthemen des Projektkonsortiums sind die Optimierung der Vitrimer-Harzformulierung, deren Verarbeitbarkeit im RTM-Verfahren, Untersuchungen zur Bauteilprüfung und dem Structural-Health-Monitoring sowie dem adhäsiven Fügen. Parallel dazu werden auch Prozesssimulationen aller untersuchten Verfahren erstellt. Die gewonnenen Erkenntnisse werden durch die Herstellung und Prüfung von Demonstratorbauteilen aus dem Luftfahrtbereich validiert.

Das AIRPOXY Konsortium setzt sich aus einem multidisziplinären Team von 11 Partnern aus 6 EU-Ländern zusammen.

Das Projekt wird im Rahmen der Finanzhilfevereinbarung Nr. 769274 aus dem Forschungs- und Innovationsprogramm der Europäischen Union Horizon 2020 finanziert.

Weitere Informationen

Dipl.-Ing. Stefan Weidmann

Wiss. Mitarbeiter Press- & Fügetechnologien

Telefon: +49 631 2017 383

stefan.weidmann@ivw.uni-kl.de